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Prinz Charming

Titel: Prinz Charming
Autoren: Julie Garwood
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Innerhalb ihrer strikten Gesellschaftsregeln lebten sie wie in Ketten, und er bedauerte sie sogar ein bißchen. Niemals würden sie auf Abenteuer ausgehen, wahre Freiheit genießen oder die endlose Weite einer unberührten Wildnis kennenIernen -und sterben, ohne zu ahnen, was sie versäumt hatten.
    »Warum runzeln Sie die Stirn, Lucas?« fragte Morris, der ältere der beiden Engländer.
    Lucas zeigte mit dem Kinn auf die Tänzer. »Kein einziger sticht aus dieser Schar hervor.«
    Verständnislos hob Morris die Brauen. »Und?«
    »Fällt Ihnen denn nicht auf, daß alle Frauen fast gleich aussehen? Jede trägt das Haar straff am Hinterkopf hochgesteckt, und in den meisten Frisuren stecken diese lächerlichen Federn. Ein Kleid ist wie’s andere. Und wegen der Drahtgestelle unter den Röcken wirken die Kehrseiten geradezu bizarr. Auch die Männer halten sich sklavisch an eine Einheitsmode.«
    Hampton wandte sich zu Lucas. »Die Erziehung hat unsere Individualität besiegt.«
    »Aber Lucas ist genauso so formell gekleidet wie wir«, wandte Morris ein. Der kleine, untersetzte Mann mit dem zurückweichenden Haaransatz und den dicken Brillengläsern vertrat in allen Belangen einen entschiedenen Standpunkt und betrachtete es als seine Pflicht, jede Meinung anzufechten, die sein bester Freund vertrat. »Diese Kleidung, die dich plötzlich stört, gehört nun mal zu einem Ball, Hampton. Was willst du denn sonst anziehen? Stiefel und Lederhosen?«
    »Das wäre eine erfrischende Abwechslung«, fauchte Hampton und fragte Lucas, ehe Morris antworten konnte: »Und nun können Sie es kaum erwarten, in Ihr Tal zurückkehren?«
    »So ist es.«
    »Also haben Sie Ihre Geschäfte in London abgeschlossen?«
    »Fast.«
    »Sie möchten doch schon morgen abreisen, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Aber wie wollen Sie Ihre Geschäfte in so kurzer Zeit abwickeln?«
    Lucas zuckte die Schultern. »Da wäre nur noch eine Kleinigkeit, die ich erledigen muß.«
    »Nehmen Sie Kelsey mit?« erkundigte sich Hampton.
    »Seinetwegen bin ich nach London gekommen. Der Junge und seine Brüder sind schon vorgestern nach Boston abgereist.«
    Kelsey war der jüngste von Lucas’ drei Halbbrüdern. Die beiden älteren, erfahrene Grenzsiedler namens Jordan und Douglas, bebauten ihr Land im Tal. Bei Lucas’ letzter Reise nach London war Kelsey noch zu jung für dieses harte Leben gewesen und deshalb für zwei weitere Jahre in der Obhut seiner englischen Lehrer geblieben. Die geistige Ausbildung des mittlerweile zwölfjährigen Jungen ließ nichts zu wünschen übrig, aber emotional war er vernachlässigt worden, beinahe ausgehungert. Dafür hatte dieser Hurensohn gesorgt, der Erbe des Familienvermögens.
    Wenn er noch länger in England bliebe, würde er sterben. Und so hatte Lucas beschlossen, ihn lieber den Anforderungen der rauhen Wildnis auszusetzen.
    »Schade, daß Jordan und Douglas schon abgereist sind«, bemerkte Morris. »Dieser Ball hätte ihnen sicher Spaß gemacht. Hier wären sie vielen alten Freunden begegnet.«
    »Aber sie wollten unbedingt mit Kelsey vorausfahren«, erwiderte Lucas. So schnell wie möglich hatte der Junge außer Landes gebracht werden müssen. Und so waren die Passagen sofort, nachdem der Hurensohn die Vormundschaftspapiere unterzeichnet hatte, gebucht worden. Sonst hätte er sich vielleicht noch anders besonnen, was die Summe betraf, für die er seinen eigenen Bruder verkaufte.
    Neuer Zorn stieg in Lucas auf, und er sehnte den Augenblick herbei, wo er England den Rücken kehren konnte. Während des Krieges zwischen den amerikanischen Nord-und Südstaaten war er in einem Gefängnis von der Größe einer Besenkammer eingeschlossen worden. Damals hatte er Platzängste entwickelt und bis zu seiner Flucht geglaubt, er würde dem Wahnsinn verfallen. Manchmal litt er immer noch an den Folgen jener Qualen. Wenn er sich beengt fühlte, verkrampfte sich sein Hals, und er bekam kaum Luft. Nun drohten ihn diese Gefühle erneut zu befallen. London erschien ihm wie ein Kerker, in dem sein Geist verkümmerte und dem er entrinnen mußte.
    Er zog seine Taschenuhr hervor und ließ den Deckel aufschnappen. Noch eine gute Viertelstunde bis Mitternacht ... So lange mußte er noch hierbleiben, das hatte er versprochen. Diese paar Minuten würden ihn nicht umbringen.
    Plötzlich platzte Hampton heraus: »Wie gern würde ich Sie in Ihr Tal begleiten!«
    Voller Entsetzen starrte Morris seinen Freund an. »Das ist doch nicht dein Ernst! Denk an die
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