Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
– und zwar hauptsächlich nach Holland, das tatsächlich im Meer versank! Q.e.d.
    Am 27. Januar fuhren sie in einen Forst hinein, dessen Größe Daniel erstaunte. Er glaubte, dass sie sich irgendwo in der Nähe von Oxford befanden – dass sie die Stadt selbst mieden, verstand sich von selbst. Er sah ein Fragment königlichen Wappenschmucks, allerdings alt und mit Efeu überwachsen. Sie mussten sich auf der Domäne befinden, die zu seiner, Daniels, Zeit unter dem Namen Royal Manor and Park of Woodstock bekannt gewesen war. Doch Königin Anne hatte sie vor zehn Jahren dem Herzog von Marlborough geschenkt, aus Dankbarkeit für dessen Sieg in der Schlacht von Höchstädt, mit dem er die Welt gerettet hatte. Ursprünglich hatte die Königin die Absicht gehabt, dort einen prächtigen Palast für Marlborough und seine Nachkommen errichten zu lassen. Wäre dies Frankreich und wäre die Königin Ludwig XIV. gewesen, so wäre das mittlerweile geschehen – aber dies war England, das Parlament hatte die knotigen Finger um den Hals der Monarchin gekrallt, und Whigs und Torys lieferten einander eine ewige Rauferei darum, welche Partei die Ehre haben sollte, Ihre Majestät zu würgen, und wie kräftig. Im Zuge dessen war Marlborough, ein in der Wolle gefärbter Tory und Sohn eines Kavaliers, irgendwie in den Ruch gebracht worden, ein Whig zu sein. Königin Anne, die sich sehr spät im Leben dafür entschieden hatte, dass ihr Torys bedeutend lieber waren, hatte ihn seines militärischen Kommandos enthoben und ihm das Leben in England ganz allgemein so vergällt, dass er und Sarah nach Nordeuropa gegangen waren (wo er als das Großartigste seit Erfindung des Biers galt), um sich in der Dankbarkeit der Protestanten zu sonnen, bis der Atem der Königin irgendwann einmal keine Spiegel in Kensington Palace mehr beschlug.
    Da er dies alles und überdies nicht wenig von Bauplätzen und vom englischen Klima wusste, rechnete Daniel damit, einen leblosen Morast zu erblicken, umgeben von einem Elendsquartier voller unterbeschäftigter Arbeiter, die sich unter Planen zusammendrängten und Schnaps tranken. Im Großen und Ganzen wurde er nicht enttäuscht. Doch Mr. Threader, mit seinem Genie für die Umgehung und seinem Abscheu vor der Mitte, foppte Daniel, indem er unmarkierte Wege durch die Wälder und über Wiesen nahm, Tore öffnete, sogar Zaunstangen niederriss, als gehörte ihm die Domäne, und die Cottages und Hütten ausfindig machte, wo die zahmen Herren des Herzogs Buch führten und Münzen zählten. Bei flüchtigen Blicken zwischen Baumstämmen (wo noch Bäume standen) oder Holzstapeln (wo sie es nicht mehr taten) hindurch gewann Daniel vage Eindrücke von den Fundamenten des Palastes und einigen halb fertiggestellten Mauern.
    Diese Abschweifung nach Woodstock brach schließlich das Eis – das sehr dick gewesen war – zwischen Dr. Waterhouse und Mr. Threader. Es wurde deutlich, dass Daniel für Mr. Threader ebenso rätselhaft war wie umgekehrt. Da Threader bei Crockern Tor nicht zugegen gewesen war – er hatte dem Rat der Zinngräber im Saracen’s Head aufgelauert -, hatte er nicht den Vorteil genossen, Will Comstocks Schilderung des Pestjahrs zu hören. Mr. Threader wusste lediglich, dass Daniel der Royal Society angehörte. Er konnte schlussfolgern, dass Daniel einzig und allein aufgrund seines Verstandes aufgenommen worden war, da es ihm an den anderen Zugangsvoraussetzungen – Reichtum und Stil – offenkundig fehlte.
    Zu Beginn der Reise, in Devon, wo die Entfernungen zwischen vornehmen Häusern größer waren, hatte Mr. Threader es sich nicht nehmen lassen, Daniel zu umkreisen und seine äußeren Verteidigungsanlagen auf die Probe zu stellen. Irgendwie hatte er es sich in den Kopf gesetzt, dass Daniel mit der Familie von Will Comstocks Braut zu tun hatte. Und ihm erschien das durchaus schlüssig. Will hatte die Tochter eines Kaufmannes aus Plymouth geheiratet, der durch den Import von Wein aus Portugal reich geworden war. Doch ihr Urgroßvater war Böttcher gewesen. Will dagegen hatte blaues Blut, aber kein Geld. Solche komplementären Heiraten waren mittlerweile die große Mode. Daniel war kein Gentleman, ergo musste er irgendein Freund der Böttcher-Familie sein. Und so hatte Mr. Threader gewisse trockene, nüchterne Äußerungen über Will Comstock fallen lassen, in der Hoffnung, Daniel werde sein Buch niederlegen und einige ätzende Kommentare darüber von sich geben, wie töricht es sei, mittels Dampf Arbeit zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher