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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time
Autoren: Liza Marklund
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anderer Hausmeister Dienst hatte.
    Spiken saß einsam und allein am Desk, die Füße auf dem Tisch und den Telefonhörer quasi am Ohr festgeklebt. Er schrak zusammen, als Schyman ihm die Hand auf die Schulter legte.
    »Bis später«, sagte er und knallte den Hörer auf die Gabel.
    »Wo ist Torstensson?«, fragte Schyman.
    »Bei seinen Verwandten in Dalarna, Geige spielen. Haben Sie ihn schon mal in seiner Volkstracht gesehen?«
    Spiken grinste. Die Männer, die die Zeitung machten, hatten nicht den geringsten Respekt vor ihrem verantwortlichen Herausgeber. Schyman wusste, dass dies keine Rolle spielte. Solange die Männer mit Torstensson machen konnten, was sie wollten, würde der Chefredakteur seinen Posten behalten.
    Schyman setzte sich dem Nachrichtenchef gegenüber und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Er wusste, dass die Leute seine Fähigkeiten respektierten, doch auch das spielte keine Rolle, solange er nicht die exekutive Macht besaß.
    Unwillkürlich erinnerte er sich daran, wie Annika Bengtzon diese Männer immer nannte: Flanelllappen – nach den täuschend ähnlichen dunkelblauen Flanellanzügen, die sie alle trugen. Er musste grinsen.
    Dann räusperte er sich.
    »Was machen wir denn mit dem armen Fräulein Carlsson?«
    »Annika Bengtzon sollte mich um zwölf Uhr anrufen, aber das hat sie nicht getan.«
    Spiken zuckte resigniert mit den Achseln.
    »Mit wem ist sie unterwegs?«
    »Mit Bertil. Sie sind kurz nach zehn los.«
    »Dann werden sie kaum aus der Stadt heraus sein. Die Staus sind grotesk.«
    »Das ist allerdings wahr!«, rief Spiken, denn er wohnte in Solna und fuhr jeden Morgen mit dem Dienstwagen die vier Kilometer zur Arbeit. »Dagegen sollte man mal eine Kampagne starten.«
    Schyman unterdrückte ein Seufzen.
    »Sie wissen ja, dass wir von Michelle Carlsson zwei Klagen wegen übler Nachrede am Hals haben, oder?«, fragte er.
    »Ja, und?«, meinte Spiken. »Sollen wir jetzt hier sitzen und die Handbremse anziehen, nur weil die Tante zu Lebzeiten eine Leidenschaft für Gerichtsverfahren hatte?«
    Schyman sah den Nachrichtenchef zehn Sekunden lang schweigend an.
    »Wer macht was?«, fragte er dann.
    Spiken blätterte hektisch in seinen Unterlagen, der Schweiß stand ihm auf der Oberlippe.
    »Annika Bengtzon und Bertil sind auf dem Weg nach Flen.
    Berit Hamrin fährt von Öland aus rauf. Sie sollte da unten eine Reportage über Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen machen, mit einem angeheuerten Fototypen. Den hatte ich heute Morgen fast eine Stunde lang in der Leitung, er ist tierisch sauer, dass aus dem Job nichts geworden ist.«
    »Er kriegt natürlich ein Ausfallhonorar«, sagte Anders Schyman und schnappte sich aus dem Chaos auf dem Desk eine Zeitung. »Klar, aber er war eben nicht hinter der Kohle her, sondern wollte vor allem mit Bild und Namen im
Abendblatt
stehen. Am Ende hat er gesagt, er macht die Fotos trotzdem und schickt sie mit Namen und Altersangaben der Jugendlichen rauf.«
    »Die Bilder will ich aber vorher sehen«, sagte der Redaktionschef. »Wir haben schon genug falsche Besoffene gehabt.«
    Spiken errötete leicht. Im Vorjahr hatte er zwei Praktikanten nach Öland geschickt, die das großartigste Material der Welt zusammengestellt hatten. Das Problem war nur, dass der Reporter und der Fotograf genauso gesoffen hatten wie alle anderen. Außerdem hatten sie vergessen, ihren neuen Freunden zu sagen, dass sie beim Kotzen, Heulen und Scheißen fotografiert und dann im
Abendblatt
abgedruckt werden würden. Das Ergebnis waren fünf Anhörungen vor dem Presseausschuss und über 150000 Kronen an Vergleichszahlungen, damit die Sache nicht vor Gericht ging.
    Natürlich hätte das
Abendblatt
den Prozess gewinnen können, doch die ganze Geschichte war so peinlich, dass es besser gewesen war, sich freizukaufen und zu versuchen, wenigstens etwas von dem bisschen Renommee zu bewahren, das die Zeitung immer noch genoss.
    »Deshalb ist dieses Mal Berit hingefahren«, gab Spiken kurz zurück und klickte seinen Schirm an. »Und das mit den Bildern habe ich nur gesagt, um ihn loszuwerden.«
    »Dann sorgen Sie nur dafür, dass er nicht fünf Minuten vor der Deadline das Modem mit fünfhundert schlechten Fotos blockiert«, meinte Schyman und erhob sich. »Verbinden Sie mich mit Bengtzon, wenn sie anruft.«
    »Wenn sie denn anruft«, sagte Spiken, aber Anders Schyman war schon weg.
    Die Autokarawane kroch die 55 entlang, der Regen pladderte, die Scheibenwischer quietschten. Die langsame Monotonie
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