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Prickel

Prickel

Titel: Prickel
Autoren: Jörg Juretzka
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es sonst nur Elvira, die Tanzende Fleischwurst kann.
    Und vor meinen Augen verwandelte sich Jochen Fuchs in einen Zeugen Kryszinskis, wenn man so will. Sein Gesichtsausdruck sagte: >Gott im Himmel, ich habe es ja schon immer gewußt, daß der mal so endet!<
    Doch ich, so für mich, wenn mich in diesem Augenblick einer gefragt hätte, ich hätte nicht sagen können, wer meiner Ansicht nach von uns beiden die lächerlichere Show abzog.
    Aus dem Nachmittag wurde Abend, aus dem Abend irgendwann Nacht, und ich hatte nichts erreicht. Aber nicht, weil ich es nicht versucht hätte. Im Gegenteil. Ich hatte alles versucht.
    Ich war stündlich in den Bierbrunnen eingefallen, hatte mir jedesmal ein halbes Pils in Ohr und Halsausschnitt gekippt und mein Publikum in Raserei versetzt.
    Ich hatte mich im Kaufhaus beim Klauen einer roten Sprühdose erwischen lassen und mich, als mir niemand zuhilfe eilte, mit heftigem Einsprühen des Ladendetektivs selber aus der Affäre ziehen müssen.
    Ich war aus dem Pornokino geflogen. Nachdem ich schon eine Weile lang das Geschehen auf der Leinwand lautstark kommentiert hatte, war ich gerade mitten in meinem Lieblingssatz >Boah, äh, baßt ma alle auf, der Kerl da hat ja'n Bimmel wie'n Bonny!<, als mich der Vorführer, der Kassierer und sogar einige der Zuschauer am Arsch und am Kragen packten und unsanft vor die Tür setzten.
    Und alles umsonst!
    Ich hatte >FICKEN< quer über die Kirchentüre gesprüht und mich anschließend von einer Horde religiöser Fanatiker auf meinen Sandalen einmal quer durch die City hetzen lassen.
    Und alles für Nüsse, wie es schien.
    Gegen zwölf war ich am Ende. Auch nervlich. Ich fing an, überall Schatten zu sehen, überall Schritte zu hören und hätte nicht mal mehr sagen können, ob ich tatsächlich beobachtet wurde, wenn mir der Typ auf der Schulter gesessen hätte. Nach einem letzten Abstecher zum Bierbrunnen latschte ich zum Bahnhof und ließ mich auf dem S-Bahnsteig auf eine Bank fallen. Ein komplett vergeudeter Tag. Sicher, ich hatte mehr Spaß gehabt als drei Nonnen bei den >Chippendales<, doch erreicht hatte ich nichts.
    Die S-Bahn war leer, bis auf eine dunkelhäutige Nonne (tse), ein Pärchen, einen schnarchenden Besoffenen in seiner eigenen Pisse, zwei picklige Jugendliche, rappelig vor Speed.
    Ich ging die drei Waggons von vorne nach hinten durch und wieder nach vorn, checkte auch das Scheißhaus, doch es blieb dabei. Kein Schatten, ich war allein.
    Ausgepowert setzte ich mich ans Fenster, besah mir das fremde Spiegelbild in der Scheibe und wurde Stück für Stück wieder ich selbst. Mit dem Resultat, daß ich auf einmal mit einer Pest von einer Laune dahockte. Ich fühlte mich wie ein Clown; wie ein Clown, den man um seine Gage geprellt hat. Nach einem endlosen und entsetzlich nervigen Kindergeburtstag bei irgendwelchen reichen Furzern.
    Ich hatte vorgehabt, mich von Det ansprechen zu lassen, ihn lallend und brabbelnd nach Oberhausen zu locken, ihn mit Prick- ... Bernd Roselius zu konfrontieren, ihm gewaltig eins über die Rübe zu ziehen und ihn dann zu einem Bündel geschnürt zur Wache zu schleifen und Menden auf den Schreibtisch zu packen. Fertig, ab. Schon morgen hätte ich wieder versuchen können, Geld zu verdienen. Ach, Scheiße.
    Beschattet von einer schwarzen Wolke nahm ich den letzten Bus nach Hause.
    In der >Endstation< war nicht viel los. Man konnte von draußen das Klicken der Billardkugeln hören, Edwin Collins im Hintergrund, leises Gemurmel.
    Umziehen, dachte ich, Katze füttern und dann .
    Und dann würde ich nach Oberhausen fahren und alles, aber auch wirklich alles Wissenswerte aus unserem Bernd herausmelken. Und wenn es bis morgen früh dauerte. Es mußte etwas passieren. Genau! Entschlossenen Schrittes umkurvte ich die Ecke und kramte nach meinem Schlüssel. Die Birne über der Haustüre war wieder mal kaputt. Sie brennt immer vier Wochen am Stück rund um die Uhr und dann vier Wochen gar nicht, bis Bernhard oder ich die Leiter aus dem Keller holen und eine neue reindrehen. Das Blöde ist, tagsüber denkt man nicht dran, und nachts ist es zu dunkel dazu.
    Leise fluchend fummelte ich den Schlüssel aus meinem Bund, von dem ich meinte, er könnte der richtige sein und wollte ihn mir gerade vor die Nase halten, um ihn näher zu beäugen, als mich eine Bewegung hinter meinem Rücken zusammenfahren ließ. Zu mehr war keine Zeit. Blitzartig sprang mir jemand ins Kreuz, legte mir etwas um den Hals und riß mich daran brutal nach
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