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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard
Autoren: Clockers
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beharrt; und Victor auch, der ihm gegenüber
eine derart leidenschaftliche Unehrlichkeit an den Tag gelegt hatte, die so
gar nicht zu seinem Charakter passte. Vielleicht war das alles bloß das
Resultat eines Gesprächs zwischen den beiden, aber ...
    »W-w«,
stotterte Strike leise. »W-Was ... kann ich irgendwas für ihn tun?«
    Rocco sah,
wie der Junge eine Hand auf seinen Bauch legte, und blickte ihm dann direkt ins
Gesicht. Es war erstaunlich, wie sehr sich die beiden Brüder manchmal ähnelten.
    »Nichts?«,
fragte der Bursche niedergeschlagen.
    Rocco
stand auf und streckte eine Hand aus. »Du willst was tun?«
    Der Junge
lehnte sich zurück und sah beunruhigt und hoffnungsvoll zugleich aus.
    Rocco
führte ihn aus dem Zimmer und den Flur entlang zum Büro der Mordkommission,
lenkte ihn zu seinem Tisch, drückte Strike auf den nächsten Stuhl und dachte,
dass seine unbeteiligten Bewegungen ihn wie ein Kind wirken ließen.
    Rocco
setzte sich auf die Tischkante und sah Strike an, griff nach dem Telefon und
stellte es direkt vor den Jungen hin. Dann öffnete er eine Schublade zwischen
seinen Beinen und nahm einen abgenutzten Kassettenrecorder und einen
Mikrophondraht mit Saugnapf heraus, stöpselte das eine Ende an das Bandgerät und drückte das andere Ende
an den Griff des Telefonhörers.
    »Du willst etwas tun? Ich will, dass du deine Mutter
anrufst.«
    Der Junge setzte sich überrascht auf. »He, w-wir reden
im Augenblick nicht miteinander. Wir machen gerade -«
    »Das ist mir doch scheißegal!«, explodierte Rocco und überraschte
sich und Strike gleichermaßen. »Was bin ich, dein beschissener Sozialarbeiter?«
    Er holte langsam Luft und beruhigte sich wieder. »Ich
will, dass du deine Mutter anrufst, und ich will, dass du sie fragst, was sie
und Victor am Telefon beredet haben an dem Abend, als Darryl Adams erschossen
wurde. Sag ihr nicht, von wo du anrufst. Kriegst du das hin?«
    Während Strike wählte, stellte Rocco den
Kassettenrecorder an und drückte auf den Lautsprecherknopf am Telefon. Das
verstärkte Klingeln am anderen Ende klang billig und hohl.
    Strike hielt mit vor Anspannung halbgeöffnetem Mund den
Hörer ans Ohr.
    »Wer ist da?«
    Rocco erkannte ShaRons Stimme. Er trat ein wenig vom
Schreibtisch zurück, wollte dem Jungen die Illusion von Privatsphäre vermitteln.
    »Ist meine Mutter da?« Strike starrte seine Stimme an,
die da aus den Lautsprecherschlitzen zu ihm zurückdrang. »Wer ist da?«
    »Hier ist Ronald.«
    Rocco hörte niemand anderen ans Telefon kommen, aber
nach ein paar Sekunden verkündete Strike, »Mom ...«, und er warf Rocco einen
peinlich berührten Blick zu.
    »Ronald?«
    Strike bedeckte die Muschel mit einer Hand und beugte
sich vor. »Mom.«
    »Bist du verletzt?«, fragte sie.
    »Mmh-mmh. Warum?« Er berührte seine Nase und verzog das
Gesicht.«
    »Ich hab gesehen, was Andre ...«
    »Mom ...«
    Rocco hörte, wie die Frau atmete und wartete.
    »Ich deale nicht mehr.«
    Die Frau wartete noch immer.
    »Ich weiß ...« Strike seufzte, als wollte er seine
eigenen Erklärungen nicht hören, und sein Blick huschte zwischen der
Schreibtischunterlage und Rocco hin und her. »Ich weiß, du ...«
    Strike hielt wieder inne, und Rocco sah davon ab, ihn
in irgendeiner Weise zu drängen. Der Junge sollte es auf seine Art machen.
    »Mom ...« Er stockte wieder, und dann sagte er
schließlich: »Victor.«
    Ein unterdrücktes Keuchen drang aus dem Lautsprecher,
und in diesem Geräusch lag mehr Schmerz, als Rocco in den zwei Gesprächen mit
ihr wahrgenommen hatte.
    Strike warf Rocco einen wütenden Blick zu und hielt
eine Hand vor den Lautsprecher.
    »Oh, Ronald«, sagte sie mit gebrochener Stimme.
    »Ich hab ihm nicht gesagt, er soll das machen. Ich weiß
nicht, was passiert ist. Hat er dir erzählt, ich hätte ihm gesagt, er soll das
tun?«
    »Ronald ...«
    Der Junge legte eine Hand an seine Stirn. »Ich hab
nicht ... Ich werd ihm helfen. Ich werd ihm helfen.« Er wischte sich den
Schweiß aus dem Gesicht.
    Rocco konnte die Stimmen von kleinen Kindern irgendwo
im Lautsprecher hören, zerstückelt und weit weg - Stimmen, die man hört, wenn
man am Strand döst.
    Strike holte Luft. »Mom, was hat er dir an dem Abend am
Telefon erzählt?«
    »Er hat nicht mit mir gesprochen.« Ihre Stimme klang
plötzlich nüchtern und hellwach.
    Strike sah verwirrt zu Rocco, der ihm mit einem Nicken
zu verstehen gab, nicht lockerzulassen.
    »Er sagt, er hätte dich angerufen.«
    »Er hat nicht
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