PR TB 067 Der Endlose Alptraum
Mädchen«, sagte Janz beruhigend.
»Erdega ist bald wieder in Ordnung. Hilf mir, ihn in den Sattel
zu schnallen.«
Erdega ließ alles mit sich geschehen, obwohl es sehr weh
tat, plötzlich emporgehoben zu werden - es war, als wollte man
ihn
geradewegs in einen der drei Monde stürzen. Aber noch etwas
anderes schmerzte. Es war die Erkenntnis, daß das Mädchen
nur im ersten Augenblick wie Ylina ausgesehen hatte, aber bei näherer
Betrachtung zu einem anonymen Wesen zerfloß. Es war wichtig,
ihr das auf den Kopf zuzusagen, damit sie nicht etwa glaubte, er
würde auf ihre Täuschung hereinfallen.
»Halt den Mund, Bruder!«
»Ja, ich bin still«, versicherte Erdega. »Ich
war nur kurz getäuscht. Jetzt erkenne ich selbst wieder, daß
es wirklich Ylina ist.«
Sie sitzt im Sattel ihres Schimmels, dachte Erdega. Und sie ist
tot. Wirklich? Seltsam, welche Streiche einem durch Träume oft
gespielt werden konnten. Man träumt, jemand sei gestorben, und
in dem kurzen Stadium zwischen Traum und Erwachen hält man die
Visionen für die Realität. Man glaubt, der Alptraum sei
Wirklichkeit!
Erdega sah, wie Janz seinem Pferd einen kräftigen Schlag gab.
Das schien das Zeichen für die Umgebung gewesen zu sein, sich in
Bewegung zu setzen. Erdega, das Pferd und die drei Monde blieben
bewegungslos, nur das Rasthaus raste davon, der Wald glitt wie ein
endloses dunkelgrünes Tuch vorbei, und die Straße war
heller als die übrige Umgebung, das fiel Erdega auf. Aber noch
viel, viel heller waren die drei Monde und Ylinas Schimmel.
Es war schwer, Wirklichkeit und Illusion auseinanderzuhalten. Es
schmerzte - ja, alles in Erdega bäumte sich dagegen auf,
Trennlinien zu ziehen. Es war viel einfacher, alles so hinzunehmen,
wie es sich dem Gefühl durch die Augen bot. Der Verstand war
Nebensache. Deshalb fragte sich Erdega nicht, warum sich die Hufe der
Pferde wie rasend bewegten. Er fand, daß es eine sinnlose
Kraftanstrengung der Pferde war. Denn der Planet drehte sich, und sie
waren emporgeschwebt, ließen den Planeten vorbeirotieren und
würden erst wieder herabsinken, wenn sich ihr Ziel unter ihnen
befand. So einfach war das. Allerdings, mußte Erdega zugeben,
war es für Pferde weniger einfach. Sie waren es gewohnt, ein
Ziel nur aus eigener Körperkraft zu erreichen. Es war die Macht
der Gewohnheit, die sie selbst in der Schwebe zu wildem Galopp
antrieb. Pferde waren eben dumm.
»Wir sind da«, keuchte Janz.
Er schwang sich aus dem Sattel, befreite Erdega von den Stricken,
die ihn an das Pferd gefesselt hatten, und rannte dann auf ein
dunkles Schattengebilde zu.
»Alles klar?« fragte jemand. Es war ein Mann, den
Erdega noch nie gesehen hatte. Ein mittelgroßer,
breitschultriger Mann.
»Sieh an«, sagte der Fremde. »Erdega ist aus
seinem Tiefschlaf aufgewacht.«
Das Universum begann sich um Erdega zu drehen, und er fiel von
hoch oben tief hinunter - bis er ganz unten in den Armen des Fremden
landete. Der Fremde wiegte ihn in den Schlaf, der Erdegas
seelische Schmerzen zu lindern versprach. Erdega fühlte es
kommen, daß der Schlaf Linderung bringen würde. Und Janz
sang einschläfernd dazu.
»Denken Sie daran, was ich von Ihnen verlangt habe, Gallos.
Sprechen Sie von Askadir erst, bis ich es Ihnen gestattet habe.«
Askadir.... Askadir, dachte Erdega. Aber er brachte es nicht
fertig, eine Gedankenkette an dieses eine Wort anzuschließen.
Ein fremdes Gesicht irritierte ihn.
Erdega wehrte sich nicht dagegen. Er überließ sich dem
neuen, dem »unlogischen« Gedankenstrom und hoffte, daß
er auch auf diesem Umweg zum Ziel finden würde.
... Er tut dir freundlich, damit er sich in dein Herz
einschleichen kann. Er will dein Vertrauen mit allen Mitteln
gewinnen, weil er möchte, daß du ihm den Rücken
zuwendest - und dann hebt er den Dolch und nimmt kaltblütig Maß.
Und wenn du ihm am meisten vertraust, dann sticht er zu. Ersticht dir
mitten in die Seele. Danach schmerzt alles mehr denn je. Aber du
suchst weiter, und schließlich findest du die Schatzkiste, aus
der der Regenbogen aufsteigt. Der Regenbogen nimmt dich auf. Dann hat
alle Not ein Ende...
Erdega erwachte. Er fühlte sich ausgeruht, gelöst und
zufrieden.
Es war das schönste Erwachen seines Lebens, denn ein
strahlendes Augenpaar und ein voller Mund lächelten ihm zu.
4.
Janz wandte sich halb um, dann blickte er wieder auf das Gelände
vor ihm. Er hatte Ylina in der Tür zum Mannschaftsraum stehen
gesehen. Ihr Gesichtsausdruck hatte ihm alles gesagt.
Dennoch
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