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PR 2701 – Unter der Technokruste

PR 2701 – Unter der Technokruste

Titel: PR 2701 – Unter der Technokruste
Autoren: Christian Montillon
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sie es schon in Luna Town IV erlebt hatte.
    Gigantische Technogirlanden hingen von der inneren Kuppel herab. Die alten Kuppeln waren nach wie vor durchsichtig, aber darüber breitete sich lückenlos das Technogeflecht aus. Es lag zu hoch, um solche Einzelheiten mit einem normalen Blick zu erkennen; sie konnten es sich dank des fahlgrünen Leuchtens am Himmel allerdings leicht zusammenreimen.
    Wie ein Krebsgeschwür, dachte Rhodan, dem dieser reißerische Vergleich automatisch wieder in den Sinn kam.
    Im Unterschied zu Luna Town gab es keine Kunstsonne. Was der unbekannte Terraner mit seiner Bemerkung, das Licht gehe unter, gemeint hatte, erschloss sich dennoch sofort: In sämtlichen Richtungen entdeckten die Eindringlinge riesige Gebäude, die aus sich heraus leuchteten, wohl mit einer lumineszenten Bausubstanz verkleidet. Sie überragten alle Häuser rundum und schufen genug Helligkeit für die ganze Stadt. Aktuell nahm die Lichtmenge ab – ein simulierter Sonnenuntergang am Abend.
    Pflanzen und Bäume wuchsen an vielen Orten und strahlten in bunter Blütenpracht. Gleiter zischten vereinzelt vorüber, und im Unterschied zum Inneren des Bahnhofs waren etliche Leute unterwegs. Terraner hauptsächlich. Die Onryonen hatten das Stadtgebiet offenbar weitgehend verlassen. Einige jedoch mischten sich unter das Volk, und ...
    Rhodan stockte. Er sah drei uniformierte Vierergruppen von Onryonen, die an verschiedenen Stellen des Vorplatzes standen, ehe die großen Bauwerke begannen. An den Treppen und Antigraveingängen zu den sublunaren Ebenen der Stadt hielten sie sich ebenfalls auf.
    Dadurch, dass sie nicht die üblichen bunten Gewänder, sondern scharf geschnittene Uniformen trugen, fielen sie sofort auf. Das Material leuchtete über Brust und Rücken in einem tiefen Rot, sodass niemand diese Vierergruppen übersehen konnte. Einige Onryonen schützten die Augen mit dunklen Brillen.
    »Wächter«, kommentierte Toufec, dem es offenbar ebenfalls nicht entgangen war. »Wenn wir vom Bild des Gefängnisses ausgehen, scheint es zwar liberal und ohne Zellen zuzugehen, aber es ist wohl klar, wer hier das Sagen hat.«
    »Findest du?«, fragte Kemeny skeptisch. »Kommt mit!« Er lief in eine Richtung los, die sie quer über den Platz führte. Ein Vogel flog vorbei und krächzte. Sein Gefieder schillerte regenbogenfarben.
    Der Weg brachte sie in einigen Metern Abstand an einer der uniformierten Vierergruppen vorüber – und Rhodan verstand sofort, worauf Kemeny mit seiner skeptischen Bemerkung abgezielt hatte.
    Denn diese Vierergruppe war anders. Zwei Onryonen, zwei Terraner, gekleidet in dieselbe Uniform. Sie sprachen miteinander, eben lachten sie.
    Die Lage ist wohl doch nicht ganz so simpel, dachte der Aktivatorträger und fragte sich, ob er soeben die ersten Kollaborateure gesehen hatte, die nicht nur mit dem Feind sympathisierten, sondern mit ihm zusammenarbeiteten.
     
    *
     
    Sie gingen weiter, verhielten sich unauffällig und beobachten. Das Technogeflecht blieb allgegenwärtig. Genau wie in Luna Town IV hingen zahllose Technogirlanden in die Tiefe. An den unmöglichsten Stellen, etwa mitten in Parks, wuchsen Aufbauten aus der Erde. Anderswo zogen sich metallische Adern durch die Straßen und über die Außenwände von Gebäuden.
    Die leuchtenden Türme verteilten sich offenbar im gesamten Gebiet. Es schien nicht allzu viele zu geben, doch aufgrund ihrer überragenden Höhe erhellten sie alles.
    Die drei Eindringlinge erreichten den Moon River, der sich als 200 Meter breiter Strom durch die Stadt zog. Im Lauf seines Lebens war Rhodan oft an seinem Ufer entlangspaziert – zur Erholung, in Krisengesprächen, inkognito oder umgeben von einer Horde von Journalisten und Reporterdrohnen. Ein eigenartiges Stück Heimat in dieser fremd gewordenen Welt.
    Hin und wieder entdeckten sie eine der uniformierten Vierergruppen, wichen ihnen weitgehend aus und wurden nicht behelligt. Der Alltag schien einen gewissen Rhythmus gefunden zu haben; es fragte sich nur, wie sehr es unter der Oberfläche schwelte oder gar schon brannte.
    »Und jetzt?«, brachte Toufec das Offensichtliche zur Sprache. »Wir müssen etwas tun. Einen Terraner ansprechen? Wir dürfen nicht noch mehr Zeit verlieren.«
    Rhodan nickte. Vor allem wegen Quinta Weienater drängte es. Er sah sich um. Eine Frau joggte allein am Ufer. Ihre kupferroten Haare wippten bei jedem Schritt als langer Zopf, der seitlich bis zur Schulter hing.
    Er stellte sich ihr in den Weg.
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