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Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)

Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)

Titel: Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)
Autoren: Ben Coes
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auszubrechen. Letzten Endes erhielt die Angst, eine Verletzung abzubekommen, das Gleichgewicht auf einer Bohrinsel aufrecht, nicht die Einmischung eines Vorgesetzten. Doch dieser Kampf war schon so gut wie vorbei. Die Wunde an Mackies Wange klaffte weit auf, überall an seinem Körper lief Blut hinunter. Dewey konnte ein Stück Wangenknochen sehen.
    Serine wirkte verzweifelt. Wie ein verwundetes Tier, das unbedingt überleben will, umkreiste er Mackie. Dewey trat vor, auf die beiden Kämpfenden zu, um der Sache ein Ende zu bereiten. Doch in diesem Moment riss Serine den Arm hoch und stieß zu. Ehe Mackie ausweichen konnte, drang ihm das Messer genau am Kehlkopf in den Hals. Der große Mann taumelte zurück, die Brust bereits getränkt von dem roten Schwall, der aus der Wunde in seiner Kehle schoss. Vergeblich versuchte Mackie, die Blutung zu stoppen, und stürzte aufs Deck.
    Als Dewey ihn erreichte, zuckten Mackies Beine in heftigen Krämpfen und er verlor bereits das Bewusstsein. Rasch presste Dewey die Handfläche auf die Öffnung am Hals, doch vergeblich. Gurgelnd sprudelte Mackie das Blut aus dem Mund, während er sich abmühte, zu sprechen.
    »Ein Tuch, Chief«, sagte einer der Männer hinter Dewey und reichte ihm einen schmutzigen blauen Lappen.
    Dewey stopfte ihn in die Wunde und hielt den Druck aufrecht, aber es half nichts.
    »Schon gut«, belog er Mackie. »Du kommst wieder in Ordnung.«
    Mackies Blick flatterte und fand seinen schließlich. Der Mann versuchte, etwas zu sagen. Dewey beugte sich näher zu ihm, das Ohr nur noch wenige Zentimeter von den Lippen des Sterbenden entfernt.
    »Sally.« Mackie musste husten. »Ich liebe sie.«
    »Ich weiß.« Vor Deweys geistigem Auge tauchte Mackies Frau daheim in Cork auf. »Ich werde es ihr sagen.«
    Mackie schloss für einen Moment die Augen. Mit ihm ging es zu Ende. Dann schlug er sie wieder auf und bewegte die Lippen.
    »Serine«, gurgelte er. »Ich hab was gefunden.«
    Dewey wiegte Mackies Kopf in den Händen und blickte in die verblassenden grauen Pfützen seiner Pupillen. »Schon in Ordnung, Jim.«
    Mit letzter Kraft ruckte Mackie mit dem Kopf vor und zurück. »Ich fand ...«
    »Was?«, fragte Dewey.
    »Sie. Auf der Bohrinsel – sie sind hier.« Mackies Stimme erstarb. Seine Augen schlossen sich ein letztes Mal.

2
    SAVAGE-ISLAND-PROJEKT
    NUNAVUT, KANADA
    VOR DER KÜSTE DER LABRADORSEE
    Zwei Kontinente entfernt, über 6400 Kilometer weiter nördlich, verschmolz in einem abgelegenen kanadischen Grenzgebiet das Dröhnen der Turbinen von Nordamerikas größtem Wasserkraftwerk mit dem stürmischen Brausen des Windes zu einem überwältigenden Klangteppich.
    Oben auf der Krone des gewaltigen Staudamms umklammerte ein einsamer Mann eine Zigarette und mühte sich ab, sein Feuerzeug in Gang zu bringen. Auf der rechten Brusttasche seines schweren patagonischen Winterparkas in leuchtendem Orange prangte ein gelber Aufnäher mit der Aufschrift WHITE. Links formte schwarzes Garn schlicht die Buchstaben KKB.
    Es war bereits nach Mitternacht. Jake White stand am Rand des 900 Meter hohen Walls aus Granit und Stahl und blickte auf die finstere Labradorsee hinaus. Er zog an seiner Zigarette. Er rauchte zu viel, das wusste er, aber nachdem er so lange in diesem von ihm selbst erschaffenen Monstrum überlebt hatte, reichte sein Leben bereits für zwei Männer. Das Savage-Island-Projekt, seine kühnste Vision, hatte ihm einige schwere Rückschläge beschert, ihn allerdings nicht in die Unterwerfung gezwungen, sondern lediglich seine Weltsicht von Grund auf verändert. Er hatte sich an diesen verzweifelten, einsamen Ort gekettet – einen Ort, den man nicht nach einer Niederlage ansteuerte, sondern nachdem man im Leben alle Ziele erreicht hatte und nichts mehr zu tun blieb.
    Zwei Jahrzehnte lang hatte das Savage-Island-Projekt von ihm Besitz ergriffen. Eine Obsession, die seine Ehe zerstörte, die Beziehung zu seinen beiden Söhnen und jegliche Bindung an sein früheres Leben in Ohio.
    Hier stand er nun, umgeben von Lärm. Dieser durchdrang die Luft mit einem stetigen Pulsieren, hervorgerufen durch metallische Reibung, und schwoll vibrierend ab und wieder an. Der Krach war überall. Ein Getöse, das entsteht, wenn man an einer Stelle, an der eigentlich nichts sein sollte, eine fast einen Kilometer hohe Wand aus Beton, Granit und Stahl errichtet, ein Ehrfurcht gebietendes Spektakel mit dem Zweck, endlose Wassermassen zurückzuhalten, die eigentlich ungehemmt fließen sollten.
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