Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Postkarten

Titel: Postkarten
Autoren: Annie Proulx
Vom Netzwerk:
Sucht Arbeit, da wett’ ich. Schau dir den Wagen an.’n alter Rumtreiber.«
    »Ja, die vom Arbeitsamt haben gesagt, sie schicken jemand vorbei. Was meinst du, warum ich hier den ganzen Tag sitze und warte, wegen deinen schönen blauen Augen? Er sollte schon vor’ner Stunde hiersein.«
    »Du wirst ihn doch nicht nehmen, oder?«
    »Warum nicht? Er kann den Vormann spielen, sie holen. Warum denn nicht, zum Teufel? Dann brauch’ ich sie nicht länger herzuschleppen.«
    »Sieht ziemlich fertig aus. Ist’n alter Rumtreiber. Alt und klapprig.«
    »Wir werden sehen.«
    Loyal hatte noch vierzehn Dollar von den Orangen übrig. Der größte Teil des Geldes für die Orangen war für die Krankenhausrechnung draufgegangen. Er war beim Absteigen mit einem vollen Sack ausgerutscht, und das Gewicht hatte ihn gegen die Leiter geschleudert und ihm eine Rippe gebrochen. Pech gehabt. Und sie heilte langsam. Seine Verletzungen waren früher schnell geheilt, aber jetzt dauerte es. Die Stelle war empfindlich, und er hatte Schmerzen, wenn er tief Luft holte. Jedesmal, wenn er hustete, war es, als würde er von Speeren durchbohrt. Darum hörte sich ein Aufseherposten gut an. Er brauchte das Geld. Sollten die Mexikaner die Kartoffeln ausgraben. Er hatte seinen Teil an Kartoffeln und Zitronen und allem, was es dazwischen gab, getan. In Kalifornien und Idaho und wieder zurück.
    Aber Kortnegger schien einer von der üblen Sorte zu sein, hatte die Mütze tief über die unsichtbaren Augen gezogen.
    Kartoffelfarmer waren rauhe Burschen. Weite Hosen, die unten hochgerollt waren, eine Schachtel Zigaretten in der Hemdtasche, ein Bleistiftstummel, der herausschaute. Arbeitsschuhe. Das Gesicht lange, schmutzige Falten wie ein Blasebalg aus Fleisch. Die Frau war nicht viel besser. Verlotterte Bluse, die über grünen Stretchshorts hing, deren vordere Nähte gerippt waren, damit sie wie Falten aussahen, auf die Knöchel gerutschte Socken. Aber sie war diejenige, die die Fragen stellte, während Kortnegger sich zurückhielt und unter seinem Mützenschild hervorschaute. Sie sagten ihm, er solle auf der Veranda warten. Er konnte sie hören. Ihre Stimme klang wie eine Fliege in einer Cola-Flasche.
    »Ich glaub’ nicht, daß er was taugt. Der ist halb verkrüppelt. Hör dir nur an, wie er hustet. Der liegt die meiste Zeit flach. Wenn der dableibt, macht er nur Ärger.«
    »Der müßte schon ein Rasierer mit Doppelklinge sein, um mir was anhaben zu wollen. Und wieso steckst du deine Nase überhaupt in meine Angelegenheiten?«
    »Na, du hast mich doch gefragt«, rief sie. »Da versucht man, dir’ne höfliche Antwort zu geben, und das ist der Dank dafür!«
    Kortneggers Gesicht tauchte hinter der Fliegentür auf.
    »Okay. Sie sind eingestellt. Bringen Sie Ihr Zeug in die zweite Baracke, auf der Zimmertür steht VORMANN. Dann kommen Sie wieder hierher, und ich erkläre Ihnen, was Sie zu tun haben. Morgen oder übermorgen sollen Sie’n Haufen Arbeiter übernehmen, kommen mit Gerry im Bus. Gerry ist mein Zusammentreiber. Ich geb’ Ihnen Geld, Sie zahlen ihm fünf Dollar pro Kopf. Das ist Ihre Aufgabe, die Malocher in Empfang nehmen, sie auf Vordermann bringen. Verfallen Sie ja nicht auf dumme Gedanken. Ich weiß, wie viele kommen. Sie glauben vielleicht, die Nummer zwei zu sein heißt, der zweite beim Anschaffen zu sein, aber hier heißt das einen Scheißdreck.«
    Sie waren der übelste Haufen Fuselbrüder, die Loyal je gesehen hatte. Alte Schnapsdrosseln, von denen die Hälfte sich die Lunge aus dem Leib hustete und blau vor Emphysemen war, die Jüngeren eingefallen vor Unterernährung, Alkohol und Verwirrtheit. Zwei von ihnen waren Mexikaner, sprachen kein Englisch außer »Hallo, will arbeiten«, waren vermutlich neu im Geschäft, oder sie wären nicht auf Kortneggers Farm gelandet, der eine trug ein rotes Hemd und ein geckenhaftes Tuch um den Hals. Sie mußten der Landarbeiterroute gefolgt und unter den Haufen am Ende der Straße geraten sein. Er hätte wetten können, daß der im roten Hemd schon früher als Erntehelfer dabeigewesen war. Er hatte den anderen mitgebracht. Geld hatte die Hände gewechselt. Der im roten Hemd, das war der Kojote, derjenige, der die Schliche kannte. Das Geld würden sie nicht ablehnen, ihnen gefiel der Klang von zwanzig Dollar Bargeld am Tag. Und sie würden es auch bekommen, für einen Zehnstundentag, an dem sie mehr arbeiten mußten als in den Jahren zuvor. So sah es jedenfalls aus.
    »Sind sie das? Sie sehen aus, als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher