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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Annäherung
versucht haben!«
    »Mein Gott,
Helga! Das wäre eine schwere Anschuldigung!«
    »Ich gebe nur
weiter, was ich gehört habe.«
    »Und von welchem
Mädchen sprechen wir hier?«
    »Die kleine
Melanie, Melanie Ott.«
    »Hast du schon
mit dem Mädchen gesprochen?«
    »Nein! Ich bin
mir natürlich nicht sicher, ob das auch wirklich alles stimmt.
Gleichwohl bin ich nach reichlicher Überlegung zu dem
Entschluss gekommen, es nicht für mich zu
behalten.«
    »Das ist ja auch
richtig, erst mal! Aber natürlich bringt mich die Information
ganz schön in die Bredouille. Jeder im Kollegium weiß,
dass Kollege Werner und ich nicht gerade Busenfreunde
sind.«
    »Du meinst, weil
er hinter deinem Rücken schon ganz offen auf dein Rektorenamt
aus ist?«
    »Bis zu meiner
Rente ist noch reichlich Zeit! Das sind noch ein paar Jährchen
hin! Dessen ungeachtet ist es ziemlich interessant, was bereits
alles hinter meinem Rücken gekungelt
wird!«
    *
    Mit einem tiefen
Seufzer lässt Ronja Ahrendt die Tür von Zimmer 312 ins
Schloss fallen und rennt mit ausholenden Schritten über den
Flur in Richtung Schwesternzimmer. Die Spätschicht sitzt
bereits vollzählig mit der Frühschicht am kleinen Tisch
zusammen, als sie hereinstürmt.
    »Wäre
schön, die Übergabe heute ausnahmsweise etwas
zügiger zu machen«, bittet sie ein wenig kurzatmig.
»Ich hab gleich einen wichtigen Termin!«
    »Wieso das
denn?«, stichelt Nicole Hauser mit gedämpfter Stimme,
sodass es alle Schwestern in ihrer unmittelbaren Nähe
hören können. »Der Oberarzt hat doch heute
Bereitschaft!«
    Barbara Reimer grinst
breit über ihr rundes Gesicht und zwinkert Nicole
auffällig zu, während Hellwig Gehrmann lauthals
losprustet.
    »Hey, Leute,
könnt ihr diesen Kinderkram nicht hinten anstellen?«,
motzt Ronja scharf in die Runde, wohl wahrnehmend, dass über
ihre Person hergezogen wird.
    Hellwig verstummt
abrupt und grinst nur noch verlegen. Nicole ergreift das Wort,
bevor eine peinliche Pause entstehen kann.
    »Dann leg ich
los! Also, Frau Wagner in der Eins ist mit ihrem Digitalis und dem
Diuretikum neu eingestellt, es geht ihr schon viel besser. Sie
kriegt wieder besser Luft, die Dyspnoe ist deutlich
rückläufig. Dafür hat sie sich bei der Visite
darüber mokiert, dass sie so häufig pinkeln muss. Unser
lieber Dr. Mehlert, in seiner unnachahmlichen Art, ist mal wieder
besonders einfühlsam darauf eingegangen. Er hat ihr gesagt,
sie solle sich doch freuen, dass sie überhaupt wieder Luft
bekommt, und ist dann weitergegangen.
    »Ich finde, das
ist wieder ganz schlimm mit ihm in letzter Zeit«,
schlägt Barbara in die gleiche Kerbe. »Ich weiß
auch nicht, was der immer hat.«
    »Ich finde, das
passt super zu Dr. Mehlert«, ergänzt Hellwig,
ȟberall schwafelt er rum, wie gern er im Krankenhaus
arbeitet, wie sehr er Arzt aus Überzeugung ist, das Einzige,
was ihn zu stören scheint, sind die
Patienten!«
    Ein schrilles Lachen
schwappt wie eine La-Ola-Welle einmal um den Tisch
herum.
    »Vielleicht hat
er ja ein Burn-Out, der soll …«
    »Können wir
bitte weitermachen, mich interessiert der Seelenzustand von unserem
Doktor überhaupt nicht«, unterbricht Ronja genervt,
»ich möchte heute pünktlich hier
raus.«
    »Seit wann ist
denn unsere Ronja nicht interessiert?«, zischt Barbara Nicole
ins Ohr.
    »Zumindest gilt
das nicht für einen gewissen Dr. Keck!«, stichelt die
Schwester zurück, um ihre Stimme gleich wieder auf normale
Lautstärke zu heben. »Okay, zurück zu Frau Wagner,
die geht jetzt wieder ohne Begleitung zur Toilette. Frau Michalski
daneben ist mit ihrem Zucker immer noch völlig
durcheinander.«
    Ronja Ahrendt
schließt die Augen, lässt den Wortbrei in weiter Ferne
durch den Kopf brabbeln und versucht, ihre Verspannung zu
lösen. Das ewige Getuschel hinter ihrem Rücken bleibt
nicht ohne Wirkung.
    Du bist aber auch
selbst schuld an deiner blöden Misere, denkt sie. Ist doch
klar, dass der Scheiß mit dem Oberarzt nicht unbemerkt
bleibt. Wie kriegst du das bloß immer wieder hin?
Ständig steckst du in irgendeiner aussichtslosen Affäre.
Ronja Ahrendt, wach endlich auf!
    Vor ihrem inneren Auge
läuft der uralte Film ab, diese elende Beziehungsklamotte von
der ewig wartenden Geliebten, die ohne zu murren, den Blick
hartnäckig auf die schleichenden Zeiger der Uhr gerichtet,
ihre ganze Hoffnung auf den kommenden Abend ausrichtet.
    Drei Stunden hatte sie
gestern mit einem syrischen Rezept in der Küche gestanden,
Zwiebeln gewürfelt,
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