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Poltergeist

Titel: Poltergeist
Autoren: Kat Richardson
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Blick auf die Uhr warf, kam es mir so vor, als ob ich ziemlich viel Zeit verloren hätte. Ein Aufenthalt im Grau war immer anstrengend und verlangte viel Konzentration, aber in diesem Fall hatte ich den Eindruck, als ob ich ungewöhnlich lange dort geblieben wäre. Ich hatte Tuckmans Büro vor fast einer Stunde verlassen und höchstens zehn Minuten gebraucht, um das St.-John-Gebäude zu erreichen. Die Zeit verging im Grau zwar auf seltsame Weise, aber noch nie zuvor hatte ich so viel Zeit verloren, wenn ich mich dort aufgehalten hatte. Falls ich es nicht vergaß, wollte ich Mara fragen, was es damit auf sich haben könnte.
    Ich lehnte mich an den Türrahmen und versuchte wieder normal zu atmen, um mein Gleichgewicht zurückzugewinnen. Aus dem Augenwinkel lugte ich noch einmal ins Grau und sah mich dort ein letztes Mal um. Die glühenden Ranken und der Ball aus Energiefäden schienen abzuwarten, sich für etwas bereitzuhalten. Es gefiel mir ganz und gar nicht, und ich spürte, wie mich für einen Moment die Unruhe packte.
    Ich verließ den Séance-Raum und ging in die Beobachtungskabine. Dort war weniger zu erkennen. Durch das Glas konnte man fast den ganzen Raum nebenan überblicken. Nur eine Ecke war schwer einzusehen und wirkte von hier aus etwas verschwommen. In der Kabine konnte ich
keinerlei Anzeichen des Grau feststellen – nur eine starke Konzentration von Licht, das diesig schimmerte. Von gespenstischen Formen oder Energieleitungen war nichts zu sehen.
    Hier befanden sich Monitore, alle möglichen Aufnahmegeräte, Schalter und schwarze Boxen, auf denen geheimnisvolle Abkürzungen zu lesen waren. Alles war auf einem langen Pult aufgereiht. Kabel waren merkwürdigerweise nicht zu entdecken, auch wenn es Regler für das Licht und ein Mischpult gab. Am liebsten hätte ich das ganze System ausprobiert, aber ich wagte es nicht, die Schalter zu berühren. Es war wohl besser, auf Tuckman zu warten.
    Warum nur schien das Grau in der Kammer unsichtbar zu sein? Filterten die doppelt verglasten Scheiben des Spiegels es irgendwie heraus? Mir war schon früher aufgefallen, dass Glas das Grau manchmal blockieren oder es zumindest für mich schwieriger machen konnte, es zu sehen. Doch diesmal war das Phänomen stärker als sonst.
    Allmählich wurde ich wirklich neugierig. Die beiden Räume wiesen einige Merkwürdigkeiten auf. Da es keine echte Kapazität auf dem Gebiet des Grau gab, war ich die einzige Expertin, die ich kannte. Aber auch ich wusste nicht genug, um zu verstehen, warum hier etwas nicht stimmte.
    Ich sah mich noch einmal um. Aber ich konnte nichts entdecken. Jedenfalls noch nicht. Also gab ich auf und machte mich auf den Weg in mein Büro, um dort die Papiere zu studieren, die Tuckman mir gegeben hatte. Ich wollte mir einen Überblick verschaffen, ehe ich am Mittwoch an der Sitzung teilnahm.

ZWEI
    I n meinem winzigen Büro am Pioneer Square machte ich es mir bequem und sah Tuckmans Kopien durch. Ich hatte nicht die Zeit, mich mit allen Einzelheiten zu befassen, sondern wollte nur einen ungefähren Überblick über das Projekt und die Leute gewinnen, die damit zu tun hatten.
    Den Akten nach zu urteilen, existierte die Gruppe seit Januar und hatte einige erstaunliche Erfolge zu verzeichnen. Es gab zwei Ebenen des Experiments: das offizielle Ziel, einen »Poltergeist« durch die Macht der menschlichen Vorstellungskraft zu kreieren und zu kontrollieren, wovon die Teilnehmer in Kenntnis gesetzt worden waren; und das eigentliche, inoffizielle Ziel, das nur Tuckman, sein Assistent und Mark Lupoldi kannten. Es bestand darin, die Reaktionen und Interaktionen innerhalb der Gruppe zu beobachten und zu sehen, wie sich die Teilnehmer entwickelten, wenn ihre absurden Absichten mit Erfolg gekrönt wurden.
    Man war mehr oder weniger den Protokollen der sogenannten Philip-Experimente gefolgt, die in den siebziger Jahren von der kanadischen Gruppe New Horizons durchgeführt worden waren. Tuckmans Gruppe an der PNU gelang es, den Fehlstart der kanadischen Kollegen von Anfang an hinter sich zu lassen und zudem eine modernere Technik sowie mechanische und objektive Beobachtungsund
Aufzeichnungsmethoden zu verwenden. Außerdem verfügten sie über Spezialisten, um die Illusion gespenstischer Erscheinungen perfekt nachzuahmen. In einem Anhang wurden die Parameter der Ausrüstung erklärt, was mir im Grunde nichts sagte. Es ging um Hebelkraft, Nanometer pro Sekunde, Luftwiderstand, Widerstand, Induktion und so weiter. Für mich war
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