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Planeten 05 - Saturn

Titel: Planeten 05 - Saturn
Autoren: Ben Bova
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alles zu erreichen, was er sich vorgenommen hat, wenn er die Kraft und den Willen dazu hat.
    Dann schnallte er sich auf einem Sitz in der Transfer-Rakete an und starrte stur nach vorn, als das Schiff die Triebwerke zündete und den Flug zum Mondorbit begann. Der Schub war zwar nur schwach, vermittelte aber zumindest ein gewisses Gefühl der Schwere. Wenn auch bloß für ein paar Sekunden.

    Die Triebwerke verstummten, und er hatte wieder das Gefühl, zu fallen ‒ endlos zu fallen. Die anderen unterhielten sich angeregt. Ein paar von ihnen prahlten sogar damit, wie oft sie schon im Weltraum gewesen wären.
    Natürlich!, sagte Eberly sich. Sie haben das alle schon einmal erlebt. Sie kennen dieses beschissene Gefühl schon, und nun macht es ihnen nichts mehr aus. Sie stammen alle aus gut situierten Familien, sind reiche und verwöhnte Kinder, die sich noch nie im Leben um irgendetwas Sorgen zu machen brauchten. Ich bin hier der Einzige, der noch nie die Erde verlassen hat, der Einzige, der für seinen Lebensunterhalt kämpfen musste, der Einzige, der Hunger, Krankheit und Angst kennt.
    Ich muss das hier aushalten. Ich muss! Sonst werden sie mich wieder zurückschicken, und ich werde in einer verdammten Gefängniszelle krepieren.
    Mit einer schieren Willensanstrengung überstand Eberly die Stunden in der Schwerelosigkeit. Als die Frau auf dem Sitz neben ihm das Gespräch mit ihm suchte, reagierte er kurz angebunden auf ihre blödsinnigen Bemerkungen und bemühte sich verzweifelt, sich nicht anmerken zu lassen, wie lausig es ihm ging.
    Er rang sich ein Lächeln ab und hoffte, dass sie nicht den kalten Schweiß sah, der auf seiner Oberlippe perlte. Er spürte, dass das billige, dünne Hemd, das er trug, durchgeschwitzt war. Nach einer Weile verstummte sie und richtete die Aufmerksamkeit auf den Bildschirm, der in die Rückenlehne des Vordersitzes integriert war.
    Eberly konzentrierte sich ebenfalls auf die Bilder. Der Bildschirm zeigte das Habitat, einen plumpen Zylinder, der wie ein von einem abgezogenen Bautrupp zurückgelassenes Rohr in der Leere des Raums hing. Doch je näher sie kamen, desto mehr nahm das Habitat Gestalt an. Eberly sah, dass es langsam rotierte; er wusste, dass der Spin ein Gefühl von Schwerkraft im Innern des Zylinders verursachte. Zahlen gingen ihm durch den Kopf: Das Habitat hatte eine Länge von zwanzig Kilometern und einen Durchmesser von vier Kilometern. Es drehte sich alle fünfundvierzig Sekunden einmal um die eigene Achse, wodurch eine Zentrifugalkraft entstand, die der normalen Erdenschwere entsprach.
    Er war plötzlich so aufgeregt, dass er fast das Gefühl der Übelkeit vergaß. Nun sah er auch die großen Fenster, die über die ganze Länge des riesigen Zylinders verliefen. Und dann kam auch der Mond ins Bild und leuchte die Szene hell aus.
    Aus der Nähe betrachtet war der Mond hässlich, vernarbt und mit unzähligen Kratern übersät. Eberly wusste indes, dass einer der größten Krater den Stadtstaat Selene beherbergte.
    Schnell wurde das Habitat so groß, dass es alles andere ausblendete. Im ersten Moment befürchtete Eberly schon, dass sie mit ihm kollidierten, obwohl der Verstand ihm sagte, dass die Piloten des Schiffs alles unter Kontrolle hatten. Er sah die Sonnenspiegel, die sich an die Rundungen des Zylinders schmiegten. Und es wuchsen Stiele und Knubbel aus der Hülle des Habitats wie Warzen an einer Gurke. Er wusste, dass sie zum Teil Beobachtungskuppeln waren. Bei anderen Auswüchsen handelte es sich um Andock-Ports, Schubdüsen und Luftschleusen.
    »Hier spricht der Kapitän«, ertönte die Stimme einer Frau aus den Lautsprechern, die über jedem Monitor eingelassen waren. »Wir sind in einen Orbit um das Habitat gegangen. In drei Minuten werden wir andocken. Sie werden einen oder zwei Rucke spüren ‒ kein Grund zur Sorge.«
    Und doch erschraken die Passagiere, als der Ruck sie durchfuhr. Eberly umklammerte in Erwartung eines weiteren Stoßes die Sitzlehnen. Aber es passierte nichts mehr. Außer…
    Der Magen hatte sich beruhigt! Das Gefühl der Übelkeit war verschwunden. Die Gravitation war zurückgekehrt, und er fühlte sich wieder ganz normal. Nein, sogar besser als normal.
    Er drehte sich zu der Frau um, die neben ihm saß, und musterte kurz ihr Gesicht. Es war ein rundes, fast pausbäckiges Gesicht mit großen dunklen Mandelaugen und lockigem schwarzem Haar. Sie hatte einen glatten, dunklen Teint. Eberly vermutete, dass sie aus dem Mittelmeerraum stammte ‒
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