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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Klamotten zum Beispiel und geile Accessoires, ohne die man in Pixity beim anderen
Geschlecht längst die schlechteren Karten hatte. Pixity-Klingeltöne wurden zu Download-Hits, jene Melodie vor allem, die ertönte, sobald sich das Bild der Stadt aus der Vogelperspektive aufbaute. Schlichte computergenerierte Töne, so banal wie einprägsam. Oder der Clubausweis. Mit dem man bei den Werbepartnern Rabatt bekam. Überhaupt der Club. Eintritt 100 PixDollars für die Pixies. Du bist ein kleiner Junge, ein kleines Mädchen, wenn du zu uns kommst, du bist ein Pixie, wenn du deinen Account angelegt hast. Keine Nummer, nein, ein Pixie. Pixies werden für PixDollars Mitglied im Pixieclub und genießen zahlreiche Vorteile. Und so weiter. Tausende tummelten sich bald in der Stadt und schissen Geld.
    Seit drei, zwei, einem Jahr? Spielte keine Rolle. Er hasste Weihnachten, er hasste die Erinnerung an jene hektischen und euphorischen Tage damals, er hasste jeden Tag Weihnachten.
    Es musste etwas passiert sein, aber er wusste nicht, was. Die Fahrten mit dem Zug begannen ihn zu langweilen, er stieg aus und kam irgendwo an und hatte die ganze Zeit aus dem Fenster geschaut, wie sich die Landschaft veränderte und doch nicht veränderte, weil man sie ja kannte. Er begann sich zu erinnern, wie das einmal gewesen war, was eigentlich immer noch so war wie früher. Das Aufstehen, das Nichtvorhandensein, das Ertrinken in Logik, die aus einer einzigen Zeile Code herausströmte zu einem Meer, in dem man ertrinken wollte. Es hatte sich etwas verändert, es hatte sich nichts verändert. Die Menschen waren andere geworden, ohne dass Bentner es bemerkt hätte. Er betrat wie gewohnt das Gebäude, lüftete, startete den Rechner, kochte Kaffee, aber dann saß er plötzlich vor dem Bildschirm mit seinen hübschen Icons, bewegte sich nicht, klickte nichts an. Er hasste Weihnachten, weil es vorbei war und doch nicht vorbei sein wollte. Er spürte die Wärme der Fünf, ihre Erregung, und auf einmal hatten sie andere Gesichter, alle, auch Bentner, und sie sagten: Ätsch. Wir sind Fakes. Dann hatte sich Bentner ein Auto gekauft und war nicht mehr mit dem Zug gefahren.
    Und es war wieder Dezember geworden. Bentner hätte an diesem Morgen die Sterne sehen können, aber der Asphalt glänzte schön und gefährlich, Bentner hielt die Augen auf dem Boden und so sah er die Sterne an diesem Morgen nicht. Es war ein besonderer Morgen. Der Wagen befand sich in der Inspektion, Bent­ner hatte sich entschlossen, wie damals mit dem Zug zur Arbeit zu fahren. Er bemühte sich längst nicht mehr, früh aufzustehen, vor allen anderen im Büro zu sein. Er hätte es eh nicht geschafft, denn eigentlich war immer jemand im Büro, Tag und Nacht, ein ehrgeiziger Junggrafiker, den die Termine erdrückten, eine naive Praktikantin, die sich mit Einsatz und Fleiß etwas erhoffte.
    Bentner war es an diesem Morgen schwergefallen aufzustehen. Er hatte auf dem Rücken gelegen und an die Decke gestarrt, der er die Rauchwolken der obligatorischen ersten Zigarette zublies. Er hoffte, die Decke verwandle sich nicht in einen großen Monitor, er hoffte vergebens. Er schloss die Augen, doch der Monitor blieb. Schwarze Finsternis.
    Endlich stand er auf, absolvierte Bad, Ankleiden und Frühstück. Trat aus dem Haus in die bittere Kälte, ärgerte sich wie immer über den Weihnachtsschmuck in den Fenstern und an den Fassaden, rutschte mit dem Schuh prüfend über den Asphalt und ging vorsichtig Richtung Bahnhof.
    Es war alles wie damals und es war alles völlig anders. Die junge Frau, mit der er Blicke getauscht hatte, stand nicht mehr am Bahnsteig. Einmal hatte sie ihn nach der Uhrzeit gefragt (die Bahnhofsuhr wieder defekt) und war dabei errötet. Sie hatten sich im Abteil so gesetzt, dass sie einander sehen konnten. Immer wieder Blicke, wie zufällig. Irgendwann hatten die Augen der jungen Frau lieber in einem Buch gelesen, in ihren Ohren Knöpfe, die gedämpft lärmten, die Finger blind regulierend am iPod. Er hatte die Gelegenheit verpasst.
    Der zweite Stock war, wie nicht anders zu erwarten, bereits hell erleuchtet, Schatten hinter den orangenen Vorhängen, über Tastaturen gebeugte Programmierer, im Hintergrund des Großraumbüros das aufdringliche Blinken einer Weihnachtsdekoration. Bentner blieb stehen, atmete tief durch und drückte die Tür auf.
    Im Flur roch es längst nicht mehr so aufdringlich nach heißgelaufenen Prozessoren, Druckern und Kopierern. Die Wände waren neu gestrichen
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