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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen
Autoren: Will Berthold
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Glücksfall, daß der Leiter des Falschgelddezernats beim FBI, Craig Ginty, ein Gefährte aus alter Donovan-Zeit ist. Ihm kann Partaker vertrauen; zudem wurde Craig von der Bundespolizei vorübergehend an eine Sonderkommission der US-Army ausgeliehen, die feststellen sollte, ob von der Falschgeld-Affäre der Briten auch die amerikanische Währung betroffen sei.
    Das kleine italienische Lokal in Georgetown, Ecke 31. und Dumberton Street, ein intimer Familienbetrieb mit vorzüglicher Küche, hat erst vor drei Wochen eröffnet und ist, zum Glück für die Gäste, die hier verwöhnt werden, noch wenig bekannt. James Partaker hat einen Tisch in der Nische reservieren lassen und betritt als erster das Lokal, zwei Minuten vor der verabredeten Zeit. Pünktlich, wie es in diesem Metier Pflicht ist, erscheint sein untersetzter Gast mit dem schütteren Haar und dem runden Gesicht. Ohne lange Begrüßung nimmt er Platz. »Ich hoffe, du hast mich nicht eingeladen«, sagt er beim Hinsetzen, »um einen neuerlichen Abwerbungsversuch zur CIA zu unternehmen, Skinny.«
    »Das hab' ich aufgegeben, Craig. Aber ich erinnere mich, daß wir alte Freunde sind.«
    »Kumpane und Komplizen«, schränkt Ginty ein und lächelt mit seinem Faunsgesicht.
    »Aber wir sind nicht schlecht miteinander gefahren, oder?« versetzt der CIA-Vice.
    Der FBI-Mann nickt zustimmend.
    »Wir sollten uns wirklich öfter sehen, Craig …«
    »Nichts dagegen«, erwidert der Pausbäckige. »Aber seit wann hast du soviel Zeit?«
    »Wir brauchen uns diesbezüglich nichts vorzuwerfen«, erwidert der Gastgeber. »Aber das muß sich künftig ändern. Ich hab' durch Zufall dieses Lokal entdeckt, und ich kenne deine Vorliebe für italienische Spezialitäten.« Er lächelt süffisant. »Ich will dir unbedingt diese ausgezeichneten Cannelloni auf sizilianisch vorführen, gefüllt mit delikater Geflügelleber, raffiniert gewürzt. Ich wette, du hast noch nie bessere gegessen.«
    »Danke, Skinny«, entgegnet der Freund, ein Vielfraß und doch ein Feinschmecker, auch wenn er fürchten muß, daß sich Partakers Delikatessen hinterher wieder auf den Magen schlagen.
    Wenn ein FBI-Mitglied und ein CIA-Mann an einem Tisch sitzen, kann man meistens davon ausgehen, daß einer den anderen hereinlegen will. Die Bundespolizei ist bei bestimmten Verbrechen für das Gebiet der Vereinigten Staaten zuständig, der Geheimdienst für das gesamte Ausland. Überschneidungen sind unvermeidbar, Kompetenzgerangel ist an der Tagesordnung. Das FBI hält sich zugute – nicht ganz zu Unrecht – daß es 23 Jahre älter ist als die Agency, in der alle bisherigen US-Geheimdienste unter einen Hut gebracht wurden.
    Solcherlei Schwierigkeiten gibt es zwischen Partaker und Ginty nicht. Der CIA-Mann hatte seinen Kumpel während des Zweiten Weltkriegs in Jugoslawien durch einen verzweifelten Fallschirmeinsatz herausgeholt, als serbische Cetnici begonnen hatten, ihn zu Tode zu foltern. Ein knappes Jahr später konnte sich der heutige FBI-Spezialist dafür revanchieren, als er den total erschöpften und zum Skelett abgemagerten Partaker aus einer Falle in Oberitalien befreite. Seitdem hat der CIA-Vice den Spitznamen Skinny, der Hautige, aber nur ganz wenige Vertraute dürfen ihn so nennen.
    Der Padrone serviert die Cannelloni selbst; sie halten, was der Gastgeber versprochen hat. Dazu gibt es einen rubinroten, mindestens drei Jahre alten Chianti vecchio, eine Rarität in einem Land, in dem weit mehr Whisky getrunken wird als Rotwein.
    »Als Hauptgericht habe ich noch herrliche Kalbsmedaillons in Vernaccia mit Reistörtchen in Norcia-Trüffeln geordert«, verheißt der Gastgeber.
    »Slow down«, erwidert Ginty lachend, »so weit sind wir noch nicht.« Er verlangt zum Entzücken des Padrone in italienischer Sprache noch eine halbe Portion Cannelloni, ißt mit verklärtem Gesicht und schnalzt anerkennend nach jedem Schluck Chianti.
    Partaker verfolgt belustigt, wie er den alten Gefährten genau in die Stimmungslage versetzt, die er beim Dessert zerstören muß. Im Rahmen der Nachrichten bringt das Radio halblaut eine Wahlkampfübertragung. Wieder schlägt Harry S. Truman, der kleine Mann im Weißen Haus, nach allen Seiten wild um sich, weder mit Beleidigungen noch Kraftausdrücken sparend, trifft er auch unter die Gürtellinie, wenn er gegen seinen Rivalen Thomas Dewey loszieht.
    »Give them the hell, Harry«, schreien rasende Parteigänger, aber alle Vorzeichen deuten darauf hin, daß ihm eher der Gegenkandidat
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