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 Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx
Autoren: Stanislaw Lem
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befehlen, den vorgeschriebenen Abstand von vierzehn Kilometern einzuhalten. Er wollte sich noch einmal vergewissern, aber als er die genaue Lage der beiden Schatten auf dem Radarschirm zu untersuchen begann, ließ sich die Fliege auf der Scheibe nieder – ausgerechnet auf einem der Schatten. Wutentbrannt warf er das Navigationsbuch nach ihr – im Zustand der Schwerelosigkeit ein aussichtsloses Unterfangen. Das Buch prallte gegen die Kapselwand, fiel aber nicht nach unten, sondern nach oben. Es stieß gegen die Decke flog hin und her und blieb schließlich mitten in der Kapsel schweben. Auf die Fliege machte das nicht den geringsten Eindruck – sie kroch seelenruhig weiter über den Radarschirm.
    AMU 27 Terraluna an JO zwei, JO zwei bis – Ich sehe euch – Ihr habt Bordnähe – Wechselt auf Parallelkurse über mit Korrektur null Komma null eins – Nach Durchführung des Manövers auf Empfang gehen – Ende.
    Die beiden Schatten begannen sich langsam voneinander zu entfernen. Pirx wußte nicht, ob ihm die JO-Schiffe etwas übermittelten, denn in den Hörern brummte es ohrenbetäubend: Die Fliege kreiste nun unmittelbar um das Mikrofon des Kalkulators. Pirx hatte nichts mehr, womit er nach ihr werfen konnte. Über ihm schwebte das Navigationsbuch und raschelte sanft mit seinen Seiten.
    PAL Hauptstation an AMU 27 Terraluna – Verlassen Sie den Randquadranten, verlassen Sie den Randquadranten – Empfange das Transsolare – Empfang.
    Unverschämtheit, jetzt kommt mir auch noch das Transsolare in die Quere ... Was geht mich das an? Raumschiffe in Gruppenformation haben Vorrang! überlegte Pirx. Er begann zu schreien, sein ohnmächtiger Haß auf die Fliege entlud sich.
    AMU 27 Terraluna an PAL Hauptstation – Gehe vom Quadranten nicht herunter, das Transsolare geht mich nichts an – Fliege in Dreierformation – AMU 27, JO zwei, JO zwei bis, Geschwader Terraluna, an der Spitze AMU 27 – Ende.
    Das mit dem »nichts angehen« war unnötig! sagte er sich. Damit habe ich mir nur Strafpunkte eingehandelt ... Ach was, der Teufel soll sie holen! Und wer bekommt Strafpunkte für die Fliege? Auch wieder ich, was? So was kann aber auch nur mir passieren ... Eine Fliege im Raumschiff – eine Fliege! Smiga und Boerst werden platzen vor Lachen, wenn sie davon erfahren ... Ich sehe sie direkt vor mir ...! Es war das erstemal seit dem Start, daß er einen Gedanken an Boerst verschwendete, und auch jetzt blieb ihm keine Zeit, denn PAL – das war immer klarer zu erkennen – fiel immer mehr zurück. Nun flogen sie schon fünf Minuten zu dritt.
    AMU 27 an JO zwei, JO zwei bis Terraluna – Zwanzig Uhr sieben – Das Manöver mit dem Einbiegen auf den Parabolkurs Terraluna beginnen wir um zwanzig Uhr zehn – Kurs einhundertelf ... Pirx las die Kurse vom Blatt ab. Die Schiffe antworteten. PAL war nun außer Sicht, man konnte ihn aber immer noch hören. Oder war es die Fliege? Auf einmal spaltete sich das Summen. Pirx rieb sich die Augen – tatsächlich! Es war nicht mehr eine Fliege, es waren zwei! Wo in aller Welt war die zweite hergekommen? Die machen mich fertig, dachte er seelenruhig.
    Seltsam ... Die Erkenntnis, daß es sich nicht lohnte, zu kämpfen, hatte für Pirx etwas Angenehmes. Sie machen mich fertig, so oder so ..., sagte er sich. Aber diese Resignation währte höchstens eine Sekunde. Ein Blick auf die Uhr trieb ihn zum Handeln. Der von ihm selbst bestimmte Zeitpunkt für den Beginn des Manövers war herangerückt, und er hatte noch nicht mal die Hände an den Hebeln.
    Die Plackerei der tausendfachen Übungen tat offenbar das Ihre. Blindlings ergriff er beide Knüppel, betastete den linken, dann den rechten, während er auf das Trajektometer starrte. Das Triebwerk dröhnte dumpf, ging über in ein Zischen. Er stöhnte auf – irgend etwas hatte ihn an der Stirn getroffen, dicht unter dem Schirm des Helms. Das Navigationsbuch! Es schwebte vor seinen Augen, nahm ihm die Sicht, er konnte es nicht abstreifen, denn er hatte keine Hand frei. In den Hörern summte und brodelte es, das Liebesleben der Fliegen auf dem Kalkulator war in vollem Gange. Einen Revolver müßte man haben, dachte er und fühlte, wie ihm das Navigationsbuch infolge der wachsenden Beschleunigung die Nase plattdrückte. Rasend vor Wut warf er den Kopf hin und her – er mußte das Trajektometer sehen! Das Buch, es wog annähernd drei Kilo, schlug krachend auf den Boden – immerhin betrug die Beschleunigung fast 4 g. Er bremste ein wenig, um sie in
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