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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Entschädigungen, die einem Ehemann den Minotauros weniger verhaßt machen. Und da es in der Natur des Menschen liegt, sich auch an die härtesten Lebensbedingungen zu gewöhnen, so bringt dich, trotz einer unerschütterlichen vornehmen Denkungsart, die unaufhörlich wirkende Zaubermacht dahin, schließlich auch die kleinen Annehmlichkeiten deiner Lage dir nicht zu versagen.
    Nehmen wir an, das eheliche Unglück habe einen Mann betroffen, dem sein Magen das Höchste ist. Natürlich sucht er seinen Trost in der Befriedigung seines Geschmacks.
     
    Eines Tags gehst du aus deinem Bureau im Ministerium nach Hause; du stehst lange Zeit bewundernd vor Chevets reicher und leckerer Pastetenbibliothek und wägst eine Summe von hundert Franken, die du ausgeben müßtest, gegen die Genüsse ab, die dir eine Straßburger Gänseleberpastete verspricht. Als du nach Hause kommst, siehst du zu deiner Verblüffung die Pastete protzig auf dem Anrichteschrank deines Eßzimmers stehen. Kann dies eine Art gastronomischer Luftspieglung sein? In dieser Ungewißheit gehst du festen Schrittes auf sie los – eine Pastete ist ein beseeltes Geschöpf – du wieherst sozusagen, als du die Trüffeln witterst, deren Duft durch die kunstvoll bereitete goldige Pastetenwand dringt; zweimal neigst du dich über sie; jede einzelne der Geschmackswärzchen deines Gaumens hat eine Seele; du durchkostest die Wonnen eines wirklichen Festes, und in diesem Zustande der Verzückung – dabei aber von einem Gewissensbiß verfolgt – kommst du zu deiner Frau.
    »Aber wirklich, liebe Freundin, wir haben kein solches Vermögen, daß wir uns erlauben können, Pasteten zu kaufen.«
    »Aber sie kostet uns nichts!«
    »Oho!«
    »Ja, der Bruder des Herrn Achille hat sie ihm geschickt.«
    Du bemerkst Herrn Achille in einer Ecke. Der Junggeselle macht dir eine Verbeugung, er scheint glücklich darüber zu sein, daß du die Pastete annimmst. Du siehst deine Frau an – sie wird rot; du fährst dir mit der Hand über den Bart und streichelst dir mehrere Male das Kinn; und da du nicht einmal ›danke‹ sagst, so erraten die beiden Liebenden, daß du mit der Entschädigung einverstanden bist.
    Das Ministerium ist plötzlich verabschiedet worden. Ein Ehemann und Staatsrat fürchtet, von der Beförderungsliste gestrichen zu werden, während er am Tage vorher noch auf die Stellung eines Generaldirektors gehofft hatte; alle neuen Minister sind ihm feindlich gesinnt; infolgedessen gedenkt er zur konstitutionellen Partei überzuschwenken. Seine Ungnade voraussehend, ist er nach Auteuil gegangen und hat bei einem alten Freunde Trost gesucht, der mit ihm von Horaz und Tibulle gesprochen hat. Als er nach Hause kommt, sieht er eine gedeckte Tafel, wie wenn die einflußreichsten Persönlichkeiten der ganzen Sippe eingeladen wären.
    »Aber wirklich, Frau Gräfin,« sagt er verdrießlich, indem er ihr Zimmer betritt, wo sie eben die letzte Hand an ihre Toilette legt; »ich erkenne heute Ihren sonstigen Takt nicht wieder! Sie suchen sich eine recht passende Zeit aus, um Diners zu geben ... zwanzig Personen werden erfahren ...«
    »Daß Sie Generaldirektor sind!« ruft sie, indem sie ihm ein königliches Dekret zeigt.
    Er ist verblüfft. Er nimmt den Brief, dreht ihn hin und her, erbricht das Siegel. Er setzt sich, faltet das Schreiben auseinander und sagt:
    »Ich wußte wohl, daß man mir Gerechtigkeit würde widerfahren lassen – mag das Ministerium sein, wie es will.«
    »Ja, mein Lieber! Aber Herr von Villeplaine hat für Sie, wie er's nur für sich selber könnte, Seiner Eminenz dem Kardinal X. gegenüber gebürgt; er ist dessen ...«
    »Herr von Villeplaine?«
    Dies ist eine so opulente Entschädigung, daß der Ehemann mit einem Generaldirektorstitel hinzusetzt:
    »Alle Wetter, meine Liebe! Aber das haben Sie fertig gebracht!«
    »Ach! Messen Sie mir kein Verdienst daran bei! Adolphe hat es aus reinem Instinkt und aus Anhänglichkeit an Sie besorgt!«
    Eines Abends muß ein armer Ehemann wegen eines strömenden Regens zu Hause bleiben, vielleicht ist er es auch müde, seine Abende fortwährend im Spiel, im Café, in Gesellschaft zu verbringen, wo ihn alles langweilt. Genug, er sieht sich genötigt, nach dem Essen seiner Frau in das eheliche Schlafgemach zu folgen. Er versenkt sich in die Polster eines Lehnsessels und wartet mit der Miene eines Sultans auf seinen Kaffee; es ist, als ob er zu sich selber sagte:
    »Schließlich ist sie doch meine Frau!«
    Die Sirene bereitet

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