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Phillips Bilder (German Edition)

Phillips Bilder (German Edition)

Titel: Phillips Bilder (German Edition)
Autoren: J. Walther
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große Halle im ersten Stock, in der der Dreck zusammengekehrt ist. Durch die hohen Fenster fällt die Sonne und ich schaue mich begeistert um.
    „Ich wollte dir meine Bilder zeigen“, Anna deutet in eine Ecke. „Marek und ich haben hier angefangen, sauber gemacht, Leute eingeladen. Ich will eine Ausstellung gestalten, einfach so.“
    „Oh ja, zeig mir die Bilder.“
    Anna lächelt und führt mich in die Ecke. Da sind weibliche Akte in groben, eckigen Strichen, Tuschebilder von Bauernblumen im japanischen Stil und hingekratzte Bilder von alten, geschwärzten Backsteingebäuden. Alle ohne Farben und in einem unverkennbaren Stil.
    „Mir gefallen sie sehr, Anna.“
    „Das sehe ich. Steuerst du Fotos bei?“
    „Wenn du willst, ja. Bei meinem Vater kann ich sie vergrößern. Wenn er wieder ... also das klappt schon.“
    „Das mit Seth tut mir leid“, sagt Anna.
    „Das muss es nicht.“
    „Vielleicht beteiligt sich Davids Vater an der Ausstellung. Und kennst du noch jemanden?“
    Ich kenne jemanden, der Objekte aus Draht biegt, aber ... egal. Ich schüttle den Kopf. Anna verteilt ihre Bilder an einer Wand und ich fange an, meine Kamera einzustellen. Anna tauscht Bilder aus, prüft die Wirkung, dann schaut sie über ihre Schulter. „Was willst du aus deinen Fotos machen?“
    „Na, sie vergrößern, für die Ausstellung.“
    „Ich meine überhaupt, Phillip. Du hast wirklich Talent.“
    „Ach Talent ... ich weiß nicht. Hab mich für ein Fotografiestudium beworben, aber ...“
    „Aber was?“ Anna sieht mich unverwandt an.
    Ich blicke auf meine Kamera. „Ich weiß nicht, ob ich gut genug bin. Das ist doch keine Kunst, meine Fotos.“
    „Warum nicht! Wem willst du das Recht geben, darüber zu entscheiden?“ Anna kommt auf mich zu.
    „Das sind doch nur Motive um mich herum, nichts Inszeniertes oder so.“
    „Na und? Etwas ist nicht Kunst, nur weil es besonders abstrakt ist, oder richtig hingekleckst. Schau dir meine Sachen an - Grafik gilt nicht als so hochwertig wie Malerei. Aber es ist mein Medium. Ich kann nicht aufhören.“
    „Man sieht, dass es deins ist“, sage ich, während ich immer noch auf meine Kamera schaue. Dann gehe ich langsam durch den Raum, mache Fotos von dem Muster aus sonnigen Vierecken, die die Fenster auf den Boden werfen. Von dem Schutthaufen in der Ecke, von abblätternden Schichten alter Farbe an einer Wand. Dann fotografiere ich den ganzen Raum, die hohen Fenster, durch die das Licht fällt, und Anna vor ihren Bildern.
    „Siehst du, du musst es in dir fühlen. Nur das zählt. Man bekommt nicht viel Anerkennung von den Leuten. Und noch schwerer bekommt man sie dazu, für deine Kunst zu bezahlen.“
    Ich spule den Film zurück und lege einen schwarz-weißen ein. Damit fotografiere ich noch einmal dieselben Motive. Anna schaut mit zufrieden zu. Ich nicke ihr zu. „Vielleicht hast du recht.“
    „Ganz sicher. Wollen wir zur Villa gehen, Marek kocht bestimmt etwas Leckeres.“

    Satt und zufrieden liege ich in der Hängematte. Mareks Essen war lecker, gebratenes Obst mit Curry und Reis, wohl das Gericht, das Benjamin mal erwähnt hat. Und ich habe mir den Bauch vollgeschlagen. Marek hat von seinen Plänen mit der Fabrik geredet und Anna von der Ausstellung. Ich kann es mir schon vorstellen, Annas Bilder an der Wand, meine Fotos, Objekte von Davids Vater. Noch heute will ich die besten Fotos auswählen. Und zu meinem Vater fahren. Ich bin voller Tatendrang, auch wenn der bis nach der Siesta warten kann. Es ist schon wieder heiß. Nichts erinnert mehr an die Regentage, die uns nach Italien getrieben haben.
    Ich schließe die Augen und spüre, wie etwas auf meinen Bauch springt. „Hey Jurek.“ Er trampelt auf meiner Brust herum, schlägt mir die Krallen ins Fleisch, und dann legt er sich hin.
    „Was meinst du, Dicker? Soll ich studieren? Oder bei meinem Vater ...?“
    Jurek schnurrt. Das hilft mir nicht weiter. Wenn ich die Ausbildung mache, kann ich mir dann auch vorstellen, hier zu leben? Ich sehe mich um. Versteckt in diesem Garten liege ich in der Hängematte, Vögel zwitschern, sonst ist es ruhig, idyllisch und schön. Ich habe mich schon daran gewöhnt, draußen zu essen, zu schlafen, in der Natur zu sein.
    Ich könnte auf eins der Dörfer ziehen, nicht nach Neustadt. Könnte mir eine kleine Wohnung nehmen oder irgendwo wild leben, so wie Seth. Ich schließe die Augen wieder - die Vorstellung hat ihren Reiz. Natürlich wäre ich viel bei Benjamin und David oder bei Moritz.
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