Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Phillips Bilder (German Edition)

Phillips Bilder (German Edition)

Titel: Phillips Bilder (German Edition)
Autoren: J. Walther
Vom Netzwerk:
dich.“
    „Klar.“
    Die beiden gehen zur Einfahrt. Dann kommt Benjamin noch einmal zurück. „Du kannst hier bleiben, wirklich. Aber rede mit deinem Vater.“
    „Will ich ja.“
    „Weißt du, als meine Mutter krank wurde, war mein Vater nicht stark, nicht so für mich da, wie ich es mir gewünscht habe. Damals konnte ich ihm nicht verzeihen. Heute sehe ich das anders. Und du hast noch die Chance. Mach nicht denselben Fehler wie ich.“
    Ich umarme Benjamin, ziehe ihn an mich. „Danke, Benjamin.“ Mit diesem Wort versuche ich alles zu sagen, was mir nicht über die Lippen kommt. Wie sehr ich ihn mag, wie gerne ich hier war, wie dankbar ich für alles bin.
    Als sie weggefahren sind, räume ich auf und dann beginne ich, die Wiese zu sensen. Es hat etwas Meditatives und ich konzentriere mich auf den Schwung der Sense. Versuche, nicht an meinen Vater zu denken und nicht an Seth. Und es funktioniert.
    „Hey“, sagt jemand neben mir, und ich schneide mir fast ins Bein.
    „Anna!“
    Sie sieht mit ihrem Kleid in leuchtenden Türkis- und Blautönen aus wie eine Frühlingsgöttin und sie umarmt mich herzlich, nachdem ich die Sense ins Gras gelegt habe.
    „Was machst du denn hier?“
    „Marek und ich sind Freitag hergekommen. Wir schlafen in der Villa, der Besitzer hat es erlaubt, er ist ja sowieso nicht da.“
    „Benjamin und David sind gar nicht hier.“
    „Und du, keine Zeit?“
    „Ich wollte sensen.“
    Anna strahlt mich an. „Na komm“, sie nimmt meine Hand und zieht mich zum Tisch. „Wo wart ihr denn?“
    „In Italien am Meer.“
    „Einfach so?“
    „War Seths Idee.“ Anna blickt mich fragend an, aber sie sagt nichts.
    „Und hast du Fotos?“
    „Von Italien? Nein, da habe ich keine gemacht.“
    „Ich meine, von denen du letztes Mal erzählt hast.“
    „Ja, die hole ich.“ Ich komme mit zwei Gläsern Saft und den Bildern zurück. Anna sieht sie langsam an, legt einige auf den Tisch. Ich habe auch die Fotos von Seth mitgebracht, nicht die intimsten, aber die besten. Etwas berührt mich, als sie da auf dem Tisch liegen. Er ist schön. Aber das ist nicht viel.
    Anna deutet auf Seths Abbild. „Schön.“
    „Das liegt am Model.“
    „Bitte! Es ist deine Sicht auf ihn, die die Bilder gut macht. Diese Porträts von Benjamin auch. Wie hast du ihn dazu gebracht, so in eine Kamera zu schauen?“
    Ich zucke die Schultern und betrachte das Bild. „Ich habe nicht viel Erfahrung mit Portraitfotografie.“
    „Du solltest dranbleiben. Hier, David und Benjamin in der Küche - als wäre keine Kamera dabei.“
    „Habe noch mehr von ihnen gemacht, aber die habe ich schon Benjamin gegeben.“
    „Die sehe ich hoffentlich mal.“ Anna trinkt ihren Saft aus, während wir schweigend meine Bilder betrachten. Beiläufig schiebt sie das eine oder andere Bild an eine andere Stelle. „Hier mag ich die Perspektive“, sie deutet auf die Fotos vom Bach, an dem Tag, als ich nach Neustadt gefahren bin. „Und die Fabrik, toll.“ Sie trinkt aus. „Komm, ich zeige dir was.“ Sie schiebt die Fotos zusammen.
    „Okay, ich hole meine Kamera.“
    Anna wartet auf mich in der Mitte des Gartens, zwischen den hohen Gräsern, die sich unter ihrem eigenen Gewicht neigen. Sie sieht schön aus, und ich hebe die Kamera, stelle sie ein und fotografiere Anna. Sie steht ruhig da und doch wirkt es, als würde sie sich ganz leicht mit den Gräsern bewegen, sich wiegen. Es wird mir nicht gelingen, das auf ein Foto zu bannen, aber ich versuche es.
    „Komm“, sagt Anna dann und hält mir die Hand hin. Wie gehen Hand in Hand durch Dorf, und ich grinse darüber, was die Leute wohl denken werden. Der Junge, der bei den Schwulen wohnt und die schöne, etwas ältere Frau an der Hand hält.
    „Hast du einen Freund, Anna?“
    „Warum denken die Leute immer so was? Ich bin lesbisch, Phillip.“
    „Oh, tut mir leid. Ich bin nur nicht ...“
    „... auf die Idee gekommen. Weil ich lange Haare habe, Kleider trage oder warum?“
    „Ich habe mir einfach keine Gedanken darüber gemacht. Genauso wenig darüber, dass Seth bi ist.“
    Anna sieht mich von der Seite an. „Und?“
    „Und was?“ Ich zucke die Schultern. „Er fickt lieber mit Mädchen.“
    Wir gehen schweigend weiter. Ich entziehe Anna meine Hand. Anscheinend gehen wir Richtung Fabrik.
    Tatsächlich bringt sie mich dort hin, das Tor ist offen. Zwei Jungs bauen auf dem Hof mit Schrott herum, Anna grüßt sie und führt mich in das Gebäude, aus dem Rockmusik dringt. Wir betreten eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher