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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)
Autoren: Robert Littell
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Allerdings war ich bis dahin bereits oft genug mit dem Englischen in Berührung gekommen, ganz zu schweigen von den Engländern, die mich berührt hatten, um zu wissen, was
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bedeutete. Verzeihen Sie, dass ich hier nicht ins Detail gehe. Ich schweife ab. Oje, ich schweife ab, wenn ich über den Engländer rede.
    Wie gesagt, er war noch grün hinter den Ohren, als er in mein Leben trat. Es hätte mich überrascht zu erfahren, wenn er tatsächlich schon einmal einen Blick auf eine weibliche Brust erhascht oder gar eine berührt hätte. Er hatte jedenfalls keine Ahnung, wie man einen Büstenhalter öffnete, und als wir endlich so weit waren, ein Bett zu teilen, zehn Tage, nachdem er in mein Gästezimmer gezogen war, wurde schnell klar, dass seine Kenntnisse der weiblichen Anatomie eher theoretisch waren. Dabei muss ihm zugutegehalten werden, dass er, was den Sex und das Spionieren anging, ein gelehriger Schüler war.
    »Wo hast du so vögeln gelernt?«, fragte ich müde am Morgen nach unserer ersten Nacht.
    »Du h-h-hast es mir verdammt noch mal doch selbst beigebracht«, sagte er. »Ich fühle deinen Or-Or-gasmus noch auf den Lippen. Ich schmeck ihn noch.«
    Das, meine Freunde, sollte sich als typisch Philby erweisen, Kim für seine Freunde, Harold Adrian Russell für die noblen englischen Großtuer, die Zigaretten von uns schnorrten, wenn wir wie fast jeden Nachmittag – auch im Winter – auf der Terrasse des Cafés Herrenhof unseren Tee einnahmen.
    Aber ich greife vor. Die Geschichte lässt sich am besten der Reihe nach erzählen. Stellen Sie sich meine Verblüffung vor, als ich, auf ein zaghaftes, kaum hörbares Klopfen antwortend und mit dem Neger, der die Kohlen brachte, rechnend, die Tür zu meiner Dreizimmerwohnung öffnete und mich einem jungen Mann gegenübersah, der entsetzlich unsicher von einem Fuß auf den anderen trat. Er trug einen Rucksack auf den schmalen Schultern, neben den protzigen, wenn auch verschrammten Bergstiefeln stand ein kleiner, aber eleganter Lederkoffer. Mein erster flüchtiger Gedanke war, dass da einer ins falsche Jahrhundert geraten war. Mein Besucher hatte die weichen, rosa Wangen eines Jugendlichen, der sich noch nicht rasieren muss, zerzaustes Haar mit der Andeutung eines Mittelscheitels und eine verknitterte Flanellhose, die wohl einmal Kniff gehabt hatte und deren leicht zerfranste Umschläge von Fahrradklammern zusammengehalten wurden. Dazu trug er eine zweireihige lederne Motorradjacke mit Gürtel und übergroßem, hochgeschlagenem Kragen und einen beigefarbenen, vorne geknoteten Seidenschal, um den Hals hing eine Motorradbrille. In der Hand hielt er eine lederne Kappe, wie man sie getragen haben mochte, als das Motorrad gerade erfunden worden war.
    »Da ist k-k-keine Nummer an der Tür«, sagte er, »aber da die Wohnung zwischen Nummer sechs und acht liegt, dachte ich, es muss die S-s-sieben sein.«
    Ich fuhr mir mit den Fingern durch meinen frisch blondierten Pagenkopf, um zu sehen, ob das Superoxyd noch feucht war. »Und was hoffen Sie, in Nummer sieben zu finden?«, fragte ich, um so das Fundament für die emotionale Mauer zu legen, die ich zwischen uns zu errichten gedachte.
    Mein Besucher sprach Englisch und bewegte die Oberlippe dabei nur ganz leicht. »Man hat mich glauben lassen«, sagte er, »dass ich in der Latschkagasse 9 in W-W-Wohnung Nummer sieben ein Zimmer mieten könnte.«
    Mit jedem neuen Stotterer fiel die gerade erst errichtete Mauer weiter in sich zusammen. »Und wer hat Sie das glauben lassen?«
    »Einer d-d-der Genossen bei der Roten Hilfe.«
    »Was hat Sie nach Wien gebracht?«
    »Mein Motorrad hat mich nach W-W-Wien gebracht, und ich habe mir die Freiheit genommen, in Ihrem H-H-Hof bei den Mülleimern zu parken.«
    »Ich will nicht wissen, wie Sie hergekommen sind, sondern warum.«
    »Ahh. Warum.« Ich weiß noch, wie er verwirrt mit den Schultern zuckte. Später sollte ich feststellen, wie sehr ihn Klischees ärgerten, besonders wenn sie über seine eigenen Lippen kamen. »In Wien tut sich was«, sagte er. »Oder es w-w-wird sich was tun. Ich bin hier, um meinen B-B-Beitrag zu leisten.«
    Ich überdachte seine Worte. »Wollen Sie damit sagen, dass Sie den ganzen Weg von England auf einem Motorrad hergefahren sind, um
Ihren Beitrag zu leisten?
«
    »Den Kanal nicht mitgerechnet, sind es nur rund neunhundert Meilen.« Er schenkte mir ein schüchternes Lächeln. »Wenn ich so d-d-direkt sein darf: Was ist mit Ihnen?«
    »Was mit mir
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