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Pesch, Helmut W.

Pesch, Helmut W.

Titel: Pesch, Helmut W. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Kinder der Nibelungen
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Erscheinung, wenn sie sich langsam aus dem Nebel schälte, als toter Baum oder ein merkwürdig gewachsenes Gebüsch.
    Dennoch wurde Hagen das Gefühl immer noch nicht los, beobachtet zu werden. Tausend Augen schienen sich in seinen Rücken zu bohren. Aber wenn er sich umwandte, sah er nichts als den Nebel oder das Unterholz an ihrer Seite.
    Auch Gunhild war es unheimlich, und wie die Jungen umklammerte sie mit festen Griff ihren Knüppel. Sicher, der Weg führte zum Waldgasthof, aber all das wirkte bedrohlich auf sie. Und die Bedrohung war nicht greifbar. Ein Stock war da wenig nütze. Der Nebel und das Zwielicht spielten auch ihr manchen Streich, und ein paarmal war sie kurz davor, ihren Stock zu erheben; aber da war nichts, auf das sie hätte einschlagen können.
    Glücklicherweise hatten sie sich nicht verlaufen oder die ausge-bauten Wege verlassen, denn sonst würde alles noch viel schlimmer sein. Bei diesem Wetter konnten sie an jeder menschlichen Behau-sung um ein paar Meter vorbeimarschieren oder die ganze Nacht im Kreis laufen.
    Alle drei hatten Hunger und Durst, aber ihre Angst überlagerte das Verlangen nach Essen und Trinken. Wichtiger war für sie, dass dieser Weg endlich ein Ende fand.
    Sie hatten jegliches Gefühl für Zeit und Raum verloren und folgten einfach nur der Richtung, die ihnen der Weg wies. Noch immer ging es bergab, und keiner von den dreien wusste, wie viel von der Strecke sie schon hinter sich und was noch vor sich hatten. Siggi sah auf seine Uhr. Sie war stehen geblieben. Die Batterie war wohl alle.
    »Wie spät ist es eigentlich?«, fragte er, und als er seine eigene Stimme hörte, fühlte er sich sofort besser, denn das lenkte ihn von seiner Furcht ab.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Hagen. »Ich trage keine Uhr. Wo ich herkomme, da gibt’s überall welche.« Es klang fast wie ein Vorwurf, als wollte er sagen: Da bin ich nun aus einem zivilisierten Land hergekommen, um bei Nacht und Nebel durch einen Wald zu laufen.
    Gunhild sah auf ihre Armbanduhr. »Meine ist stehen geblieben«, sagte sie. »Was ist mit deiner, Siggi?«
    »Meine steht auch«, entgegnete Siggi. »Ist deine Batterie auch alle?«
    »Muss wohl«, Gunhilds Stimme war voller Zweifel.
    »Du hast doch erst gestern ‘ne neue Batterie bekommen. Wir waren doch auf dem Weg zum Bahnhof im Laden und haben das Ding auswechseln lassen«, meinte Siggi und blickte sich verstohlen um.
    »Vielleicht hat die Tante im Laden die neue Batterie in den Son-dermüll geworfen und mir die alte wieder eingebaut. Das ist jedenfalls die einzige Erklärung, die mir einfällt.«
    Das Gespräch schlief wieder ein, und die drei marschierten weiter durch die Dämmerung. Immer noch rumorte das Gewitter, aber es schien nicht wesentlich näher zu rücken. Es hing wie eine entfernte Drohung über ihnen, die jederzeit herniederkommen konnte.
    Plötzlich standen sie wieder an einer Kreuzung. Ein Weg, der ebenso überwuchert war wie der ihre, brach sich seine Schneise aus dem wuchernden Unterholz, wie eine Bresche in einer Mauer. Auf der anderen Seite verschwand er wieder im Dunkel. Ein umgestürzter Wegweiser lag mitten auf der Kreuzung. Die Bruchstel e war alt und bereits von Moos überwuchert, ein Zeichen dafür, dass hier lange kein Waldarbeiter mehr vorbeigekommen war, aus welchen Gründen auch immer.
    Gunhild beugte sich über den Pfahl, und las ›Lindenhof 3 Kilometer, Odenhausen 10 Kilometer‹ und ›Rhein 15 Kilometer‹.
    Dann untersuchte sie die Bruchstelle und sah sich den Pfahl-stumpf an, der wie ein anklagender Finger in den Nebel ragte.
    Dann erhob sie sich und stellte sich vor, wie der Wegweiser einst gestanden hatte.
    »Wir müssen hier nach links«, verkündete sie und schob nach:
    »Wenn ich mich nicht irre.«
    »Hoffentlich irrst du dich nicht«, entfuhr es Siggi.
    »Ja, hoffentlich«, gab Gunhild zurück.
    »Wir werden es nie herausfinden, wenn wir rumstehen und reden«, gab Hagen sich forsch. »Bisher hat sie Recht behalten. Warum also nicht auch jetzt? Lasst uns gehen!«
    Hagen ging voran. Er war stolz auf sich. Jetzt war es ihm gelungen, seine Angst vor den anderen zu verbergen. Dabei konnte er fast körperlich die Blicke dessen oder derer spüren, die ihnen auf den Fersen waren, aber er verheimlichte seine Gefühle. Keiner sollte sagen, er sei ein Feigling. Er würde es allen schon zeigen. Seine Hand hielt bei diesen Gedanken den Ring fest umklammert…
    Siggi und Gunhild folgten Hagen, holten ihn ein und gingen zu zweit hinter

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