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Pern 04 - Drachensinger

Pern 04 - Drachensinger

Titel: Pern 04 - Drachensinger
Autoren: Anne McCaffrey
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in ihrem Haar verkrochen hatte, reckte nun den Hals, weil sie das rohe Fleisch roch, das Camo in der Schüssel trug.
    »Schön, schön«, mauschelte der Mann, als er die Feuerechse entdeckte. »Schöner kleiner Drachen?« Er tippte Menolly auf die Schulter. »Schöner kleiner Drachen?« Er wartete so angespannt auf ihre Antwort, daß er um ein Haar über die Stufen gestolpert wäre.
    »Ja, sie ist wie ein kleiner Drachen, und sie ist schön«, pflichtete Menolly ihm lächelnd bei. »Sie heißt Prinzessin.«
    »Heißt Prinzessin.«
    Camo war wie gebannt. »Heißt Prinzessin. Schöner kleiner Drachen.« Strahlend verkündete er sein neues Wissen.
    Menolly legte den Finger auf den Mund. Sie wollte Silvinas Mägde weder ablenken noch beunruhigen. Draußen angelangt, stellte sie ihren Becher und die Schale ab und griff nach dem Fleisch.
    »Schöner kleiner Drachen Prinzessin«, murmelte Camo und merkte nicht, daß sie an der Schüssel zerrte.
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    »Geh du jetzt wieder zu Silvina! Geh zu Silvina!«
    Camo blieb stehen, wo er war. Sein schwerer Kopf pendelte hin und her, und der feuchte schlaffe Mund war zu einer seligen Grimasse verzogen. Menollys Worte drangen überhaupt nicht bis zu ihm durch.
    Prinzessin kreischte jetzt gebieterisch, und Menolly packte eine Handvoll Fleischbrocken, um sie zu beruhigen. Aber ihr Geschrei hatte die anderen auf den Plan gerufen. Sie kamen angeflattert, einige durch die offenen Fenster des Speisesaals über Menollys Kopf, andere, der allgemeinen Aufregung nach zu urteilen, quer durch die Küche.
    »Schön, schön!« rief Camo. »Alle schön.« Er drehte den Kopf heftig hin und her, weil er alle gleichzeitig sehen wollte.
    Aber er hielt sich ganz still, als Tantchen Eins und Zwei auf seine Arme flogen und ihre Fleischbrocken selbst aus der Schüssel schnappten. Onkelchen krallte sich auf Camos Schulter fest und kämpfte mit Flügelschlagen um seinen Anteil. Brownie, Spiegel und Faulpelz umflatterten Menolly, die sich alle Mühe gab, das Futter gerecht zu verteilen.
    Verlegen, weil sich ihre Freunde so schlecht benahmen, und zugleich dankbar über Camos Hilfe, merkte Menolly mit einemmal, daß in der Küche jede Arbeit ruhte. Das Gesinde beobachtete das ungewohnte Schauspiel. Einen Moment lang fürchtete sie, Silvina könnte den Knecht schelten und an seinen Platz zurückrufen, aber sie hörte nur das Gewisper der Mägde.
    »Wie viele sind das denn?« erkundigte sich jemand.
    »Neun«, entgegnete Silvina ungerührt. »Und wenn die zwei Eier, die der Harfner bekam, gedeihen, haben wir insgesamt elf in der Gildehalle.«
    Das klang beinahe eitel. Das Stimmengewirr verstärkte sich.
    »Abuna, der Brotteig ist lange genug aufgegangen. Du kannst jetzt mit Kayla Laibe daraus formen.«
    Die Feuerechsen hatten die letzten Fleischfasern gefressen, und Camo starrte mit betrübten Grimassen in die leere Schüs-25
    sel.
    »Alles fort? Meine schönen Kleinen hungrig?«
    »Nein, Camo. Sie haben wirklich genug bekommen. Sie sind nicht mehr hungrig.« Im Gegenteil, ihre Bäuche spannten sich prall, so unmäßig hatten sie das Futter verschlungen. »Du gehst jetzt zu Silvina. Silvina braucht dich, Camo!« Sie folgte dem Beispiel der Wirtschafterin, nahm ihn an den Schultern, drehte ihn zur Küche hin und gab ihm einen sanften Schubs.
    Menolly trank den Becher mit heißem Klah und dachte nach.
    Sie hatte den Eindruck, daß Silvina sie betont freundlich behandelte. Oder war das Unsinn? Silvina ging mit allen Leuten nett und rücksichtsvoll um; sie war die Geduld selbst, wenn sie etwa mit dem schwachsinnigen Camo redete.
    Dennoch, Silvina befehligte das Gesinde in der Gildehalle und besaß damit zweifellos eine ähnliche Machtposition wie Manora im Benden-Weyr. Wenn Silvina sie mit offenen Armen aufnahm, würden die anderen ihrem Beispiel folgen.
    Menolly begann sich in der warmen Sonne zu entspannen.
    Ihre Träume letzte Nacht waren bedrohlich gewesen, aber in der Morgenhelle konnte sie sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern. Nur ein Gefühl des Unbehagens und der Hilflosigkeit war geblieben. Aber Silvina hatte viel dazu beigetragen, ihre dummen Zweifel zu zerstreuen.
    Über den Hof klangen frische junge Stimmen, die noch einmal die lange Saga einübten. Die Feuerechsen stoben bei dem Gesang hoch und nahmen erst wieder Platz, als Menolly sie lachend beruhigte.
    Dann erhob sich unvermittelt ein heller, glockenklarer Diskant über die dunkleren Stimmen der Harfner-Lehrlinge.
    Prinzessin sang die Gegenmelodie.
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