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Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg

Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg

Titel: Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg
Autoren: Residenz , Claudio Honsal
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Geschichten lauschte und sie noch lieber erzählte. Er war redselig, mitteilsam, aber gleichzeitig vor allem in seinem späteren Leben auch fähig zu einsamen geistigen Höhenflügen. Der große italienische Dichterfürst Dante Alighieri sprach von ihm als „die Sonne“. Dabei war der gebürtige Giovanni Battista Bernadone eher ein kleiner, unansehnlicher und kränklicher Mann, wie aus den Porträts von Giotto bis Rubens leicht ersichtlich ist. Nach der Rückkehr von einer Handelsreise in Frankreich verpasste ihm sein Vater, ein Tuchhändler aus Assisi, kurzerhand den Rufnamen „Francesco“ – also Franzose. Damit sollte er dann auch in die Annalen eingehen und nicht nur Kirchengeschichte schreiben.
    Die stattliche Wegstrecke von 300 Kilometern also wollen wir in zwölf ausgeglichenen Etappen meistern. Der Ort Dovadola liegt längst unter uns. Ruhig, friedlich, malerisch. So, wie der Großteil der Landschaft in der Emilia Romagna eben wirkt … Es ist immer gut, sich das, was man genießen möchte, zu verdienen! Also beginnt der erste Wegabschnitt bis zum Eremo Sant‘ Antonio gleich einmal mit einer ziemlichen Steigung. Die berühmte Einsiedelei liegt nicht direkt am steinigen Pfad, sondern etwas abseits im Wald. Der kleine Umweg, in seiner Summe vielleicht drei Kilometer, zahlt sich aus. Wir sind schließlich erst in der Aufwärmphase, und noch vergleichen wir den Pilgermarsch mit einem gemütlichen Gassi-Gehen.
    An der Wallfahrtskirche angelangt, lächelt uns ein bekanntes Gesicht entgegen: Moreno. Als wir schon etwas erschöpft ankommen – die Mittagssonne brennt bereits auf die asphaltierte Straße vor der anmutigen Kapelle –, bricht der emsige Therapeut gerade wieder auf zum nächsten Etappenziel, dem Monte Trebbo. Dessen Gipfel will allerdings bereits auf einer Höhe von 800 Metern ü.d.M. erklommen werden. Für mich wird hier der Ernst des Lebens beginnen. Aber zuvor hat Toni, Herrchen und Fotograf, das erste unvermeidliche Pilgermotiv ausgemacht: die Kapelle. Gestört wird unser Shooting nur von unzähligen Radfahrern, die von allen Seiten ins Bild stürmen. Nach geglückter Bergwertung tanken sie ihre Wasserflaschen am Brunnen der Kapelle neu auf. Dieser verspielte Brunnen ist allerdings nicht dem heiligen Franz gewidmet, sondern Glaubensbruder Antonius, dem Eremiten der nahen Einsiedelei.
    Fast zwei Stunden später und knapp acht Kilometer weiter durch grüne, hügelige, menschenleere Landschaft haben auch wir den Monte Trebbo erreicht. Und wieder ist es ein Radfahrer, der uns am Gipfel entgegenstrahlt. Diesmal aber in Form eines Denkmals. Eine moderne Skulptur aus Eisen wurde hier für die zahlreichen, bedauernswerten Opfer des Giro d’Italia installiert. Übrigens ist dieses nach der Tour de France wohl bekannteste Radrennen der Welt gerade wieder on tour, was schon bei unserer Anreise nach Rimini zu einigen Verkehrsbehinderungen und allgemeiner Volksfeststimmung geführt hat. Es ist Zeit für die erste längere Rast. Wasser. Ausruhen im Schatten der Bäume rund um das Radfahrer-Denkmal. Zeit zum Entspannen, Schlafen und Nachdenken.
    Ja, Radfahrer verfolgen mich schon mein ganzes Leben lang. Professionelle Radfahrer. Denn bevor mein Herrchen vor vielen Jahren zur Kamera gegriffen hatte, um damit sein Brot und mein Hundefutter zu verdienen, war er Radfahrer. Professioneller Rennradfahrer. Oft habe ich ihn erzählen hören, dass er bereits als Zehnjähriger mit seinem Vater von Wien nach Bregenz eine „Pilgertour“ unternommen habe. Mit 13 Jahren sein erstes Rennen gefahren ist und nach einer Österreich-Rundfahrt im Jahr 1987 aufgehört hat. Neue berufliche Herausforderungen machten das zeitaufwendige Training unmöglich. Den Ehrgeiz eines Spitzensportlers hat er sich behalten und steckt ihn seither in die Fotografie. Zuerst als Sportfotograf und seit er mich hat, als Reportage-, Landschafts- und Hundefotomeister. Wobei auch Letzteres nicht ganz geplant war: Wäre ich nicht so oft in meinen jungen Hundejahren zufällig in sein Bild gelaufen und dort völlig, ja unnatürlich starr stehen geblieben, wäre er wohl nie auf die Idee gekommen, mich zum professionellen Model auszubilden. Rad fahren geht er trotzdem immer noch. Leider. Denn wenn er mindestens zweimal die Woche sein hochpoliertes Rennrad auspackt, ist es vorbei mit unserer gemeinsamen Zeit. Er hält nichts davon, Hunde neben dem Rad einherlaufen zu lassen. Schon gar nicht, wenn es sich um einen in die Jahre gekommenen Artgenossen wie
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