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Pearl Harbor

Pearl Harbor

Titel: Pearl Harbor
Autoren: Harry Thürk
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kurzsichtigen Augen hielt sich nicht damit auf, den Gruß der Posten zu erwidern.
    Er hatte es eilig. Die flache Aktenmappe unter den Arm geklemmt, stieg er die Stufen hinauf. Die Tür des Konferenzsaales wurde geöffnet. Das Gespräch stockte. Ein Dutzend Männer, meist in Uniform, mit breiten Generalsstreifen an den Hosen, grüßten den Eintretenden: Hideki Tojo, siebenundfünfzig Jahre alt, General, engster Vertrauter des Kaisers Hirohito und seit Oktober Ministerpräsident. Bei ihm liefen alle Fäden politischer, militärischer und polizeilicher Macht zusammen. Die Kaste der Generale hatte ihn ausersehen, in ihrem Sinne zu regieren. Er war ihr Mann.
    Der Umstand, daß an diesem trüben Morgen des 29. November 1941 im »Haus des Krieges« über eine Angelegenheit von weltweiter Bedeutung verhandelt werden sollte, war auch der Grund, daß Kaiser Hirohito aus seiner sorgfältig gehegten Abgeschiedenheit im Kaiserpalast gleichsam hervorgekrochen war und sich hierherbegeben hatte. Seine Anwes enheit verlieh dieser Zusammenkunft als
    »Kaiserliche Konferenz« größeres Gewicht. Die Entscheidungen einer solchen Konferenz waren bindend.
    In einem Extragemach wartete der Kaiser, streng bewacht, auf sein Zeichen zum Auftritt. Der Auftritt des Kaisers, sein würdevolles Eintreten in den Raum, sein gelassener Gruß, das alles war traditionelle Zeremonie. Der Tenno, wie er im Lande ehrfurchtsvoll genannt wurde, war in einer Person Monarch und Gott zugleich. Aber seine Entscheidungsgewalt war beschränkt. Immerhin faszinierte der Kaisermythos - jenes zeremonielle Schauspiel, das den aufgeklärten europäischen Menschen stets ein wenig lächerlich anmutete - hier in Japan die Massen. Das wußte die Militärka-

    General Hideki Tojo, Ministerpräsident
    J a pans von Oktober 1941 bis Kriegsende

    ste, in deren Händen die Staatsmacht lag, sehr wohl. Es gab in Japan kein sogenanntes ziviles Kabinett mehr, die Regierung Tojo bestand nur aus Offizieren. Admirale und Generale waren die Herrscher des Inselreichs, seit vor Monaten das letzte Zivilkabinett, das Kabinett des Fürsten Ko noye, gestürzt worden war.
    Solange Hirohito nicht eintrat, schwatzten sie miteinander, rauchten und tranken. Tee aus kleinen Porzellanschalen: Tojo und Wakatsuki, Hiranuma und Hirota, die Admirale Shimada und Okada, Yonai und Hara. Die Marineuniformen überwogen unter den Anwesenden. Die Marine war mächtiger a l s das Heer. Dafür war Japan ein Inselreich.
    Auseinandersetzungen zwischen den beiden Teilen der Streitkräfte hatte e s in der Vergangenheit oft genug gegeben, aber stets war eine Einigung erzielt worden, weil man am Ende feststellte, daß man im Prinzip dieselben Ziele hatte. Die Männer, die in diesem Konferenzraum der Tokioer Kriegszentrale versammelt waren, kannten einander gut. Es gab keinen, der nicht Mitglied jener Geheimgesellschaft war, die mit dem Regierungsantritt Tojos ihren größten Triumph feierte: der Geheimgesellschaft des »Schwarzen Drachens«.
    Ein bärtiger, dicker Zen-Priester hatte sie im Jahre 1878 gegründet, Mitsuru Toyama. Er sammelte Offiziere mit dem Ziel um sich, d a s »westliche«, parlamentarische System in Japan zu bekämpfen und an seine Stelle eine Diktatur des Militärs, eine Herrschaft der Samurais, zu setzen. Innerhalb weniger Jahre wurden die »Schwarzen Drachen« zur mächtigsten Geheimgesellschaft Japans. Von 1880 ab war es ihnen ge-

    lungen, so gut wie jede politische Maßnahme Japans entscheidend zu beeinflussen. Ihr greises Oberhaupt Toyama trieb zwar allerlei my stischen Schnickschnack - er nährte sich wochenlang nur von Gras und Blättern, oder er saß fünf Tage und Nächte bewegungslos, schlaflos, schweigend, ohne Essen und Trinken zu sich zu nehmen -, aber an derlei Schaustellungen allein konnte die Gefährlichkeit seiner Sekte kaum er-messen werden. Sie nahm zahlenmäßig zu und gewann immer mehr Einfluß. 1904 war sie so stark, daß Toyama dem damaligen Ministerpräsidenten Prinz Ito das Ultimatum stellen konnte; entweder Rußland den Krieg zu erklären oder ermordet zu werden. Ito ließ es nicht darauf ankommen und fügte sich. 1932 versah Ministerpräsident Inukai die Regierungsgeschäfte. Als die »Schwarzen Drachen« von ihm die Ausweitung des Krieges in der Mandschurei auf ganz China verlangten, weigerte er sich. Die
    »Schwarzen Drachen« inszenierten eine Revolte, in deren Verlauf er ermordet wurde. Später stellte sich heraus, daß die Revolte von der durch Japan kontrollierten
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