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Paula geht

Paula geht

Titel: Paula geht
Autoren: Martina Nohl
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draußen. Also folgte sie ihm im Bademantel, jetzt völlig verwirrt über seinen Stimmungswandel. Kaum hatte er sich endlich geöffnet, da verkroch er sich noch tiefer in sich als vorher. Und das ausgerechnet dann, wenn seine Probleme noch größer wurden.
    „Bitte, komm rein und sprich mit mir“, flehte sie ihn an. Und dann etwas vorwurfsvoller: „Hey, Sven, so geht das nicht. Ich dachte, wir gehören jetzt zusammen?“
    Er schüttelte den Kopf. Ab heute würde sie sein Kopfschütteln hassen. „Ich muss jetzt gehen“, murmelte er.
    „Rufst du mich an von unterwegs?“, fragte Paula schüchtern.
    Er nickte kurz, küsste sie fast schmerzhaft fest auf den Mund. Dann hob er die Hand zum Gruß und ging in die Nacht davon.
    Paula schaffte es gerade noch bis in die Küche. Dann schluchzte und tobte sie gleichzeitig. Sie zerschmiss zwei Kaffeetassen, fegte noch die Vase mit den Korn- und Sonnenblumen vom Tisch. Sie war so sauer auf Amélie, die gerade dann auftauchen musste, wenn das Leben sich so gut entwickelte. Sie wusste gar nicht, was sie Sven und Bene , ja und auch ihr damit antat. Schließlich sank sie auf einen der alten Stühle, legte den Kopf auf die Arme und spürte nur noch eine große Leere.
    Nach einer Weile merkte sie, dass ihr alles so wehtat, weil sie Sven liebte. Und der Schmerz war umso schneidender, weil er sich nicht helfen oder wenigstens nur trösten ließ. Wie um Himmels Willen sollte ihre Partnerschaft eine Zukunft haben, wenn sie schon so anfing? Paula war keineswegs eine Beziehungsexpertin, aber dass da gerade etwas grundlegend falsch lief, das spürte sie.
    Wie oft hatte er ihr geholfen. Und ja, sie liebte seine unbeschwerte, lockere und verwegene Seite. Aber sie liebte auch das Schwere, Dunkle, das sich immer wieder zeigte und dessen Ursprung sie jetzt wenigstens kannte. Wenn er sie nur daran teilhaben lassen würde! Sie war doch kein Mimöschen, sie konnte schon was aushalten, das wusste er doch, oder nicht?
    Gleich morgen würde sie ihm einen Brief schreiben. Den konnte er dann so oft lesen, bis er es glaubte, dass sie ihn wollte, ihn und Bene mit ihrer ganzen Vergangenheit. Sie machten ihr keine Angst. Und sie würde gerne uneingeschränkt für sie da sein in guten und in schlechten Zeiten. Ja, das würde sie. Und jetzt holte sie seufzend den Besen, um den Scherbenhaufen zusammenzukehren.

Kapitel 28
     
    Funkstille. Absolute Funkstille. Paula kam sich vor wie ein Panther in einem Käfig, der eben noch im Dschungel gelebt hatte. Gerade noch das Paradies auf Erden und jetzt Kälte. Das unfreundliche Oktoberwetter, das ungewöhnlich kalt war für die Jahreszeit, passte zu ihrer Stimmung. Gleich am nächsten Tag hatte sie Sven tatsächlich den Brief geschrieben. Dabei wusste sie nicht einmal, wo er sich jetzt aufhielt. Daher hatte sie ihn an seine Schwester geschickt, deren Adresse sie immerhin rausgefunden hatte, in der Hoffnung, dass die ihn weiterleiten würde. Sie war mit dem Brief zufrieden gewesen, bei dem sie wirklich alles gegeben und ihre ganze Liebe hinein gelegt hatte.
    Sie stützte den Kopf in die Hände und Tränen tropften auf ihre Prüfungsunterlagen. So konnte das wirklich nicht weitergehen. In drei Wochen war die Prüfung und in ihrem jetzigen Zustand würde sie haushoch durchrasseln, wenn nicht noch irgendetwas passierte. Gleichzeitig sollte sie schon längst den Vortrag für die Volkshochschule vorbereitet haben zum Thema „Homöopathie bei Kindern – wie wir ihnen helfen, sich selbst zu helfen“. Gott sei Dank würde Annemarie gleich vorbeikommen und ihr helfen. Und hoffentlich hatte sie ein großes Stück Torte dabei.
    Sie wusch sich das Gesicht und legte Block und Schreibzeug bereit. Dann setze sie das alte Espresso-Kännchen auf den Herd. Sie hatte immer ein bisschen Angst, dass es eines Tages explodieren würde – sie hatte davon mal gehört –, egal, heute würde es zu ihrer Stimmung passen.
    Endlich klingelte es und Paula fiel Annemarie um den Hals. Die hatte sich auf ein Arbeitstreffen eingestellt und war vermutlich überrascht, so ein Häufchen Paula-Elend vorzufinden. Paula versuchte sich kurzzufassen, aber sie musste ihr einfach die Geschichte erzählen.
    Annemarie schaute nachdenklich vor sich hin. „Ich hatte mir schon so meine Gedanken gemacht über euch. Aber dass es alles so dramatisch ist, hätte ich nicht gedacht.“
    Paula packte die Torte aus. Käsesahnetorte und Sachertorte. Woher wusste Annemarie immer, welche Torte genau die richtige war?
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