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Paula geht

Paula geht

Titel: Paula geht
Autoren: Martina Nohl
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Hände an der Hose ab, als hätte er ein schweres Geschäft getätigt, und reichte ihr seine große Pranke. „Jetzt müssen Sie mich entschuldigen, die Arbeit ruft. Helene, zeigst du bitte Frau Sommer noch das Wichtigste?“
    Die Bürgermeistersgattin führte sie mit leicht verkniffenem Mund herum, zeigte ihr die Medikation und die Toilette und das Gästezimmer, versuchte aber im Rahmen ihrer Möglichkeiten freundlich zu sein. Also gut, dann werden wir erst mal Waffenstillstand schließen. Schließlich hast du viel für deine Schwiegermutter getan, liebe Helene, dachte Paula.
    Nach gut zwei Stunden war Paula wieder auf dem Weg nach Hause. Wer hätte gedacht, dass es hier einen so netten Job gleich um die Ecke gab? Der plötzliche Gesinnungswandel im Bürgermeisterhause war ihr immer noch ein Rätsel, aber man durfte ja auch mal Glück haben, oder? Obwohl – gerade hat sie unverschämt viel Glück auf der ganzen Linie. Sie wollte mal hoffen, dass das kein schlechtes Omen für die bevorstehende Prüfung war.
     

Kapitel 27
     
    Zwei Tage später klappte Paula ihre Unterlagen zu und fuhr den PC herunter. Vermutlich hatte das Verliebtsein ihre Synapsen derart durcheinandergebracht, dass sie sich an nichts mehr erinnern konnte. Ständig musste sie an Sven, seine Augen, seine Hände, seinen Geruch und sein gutmütiges Grinsen denken, so dass die ohnehin nicht so appetitlichen Krankheitssymptome wie Lymphknotenverhärtung, syphilitische Wucherungen, ödematöser Hals oder livider Hautausschlag sich weigerten, in ihrem Gedächtnis haften zu bleiben. Dennoch zwang sie sich mit aller Selbstdisziplin, jeden Tag einige Stunden zu lernen, denn die Prüfung nahte in großen Schritten. Die echte Prüfung des vergangenen Jahres, die sie gestern probehalber durchgearbeitet hatte, hatte sie nur ganz knapp bestanden, es blieb spannend ...
    Jetzt musste sie aber schnell unter die Dusche hüpfen und sich für Sven zurechtmachen. Die Zeit für die Körperpflege und die Energie, die sie in ihr Aussehen steckte, hatte sich mindestens verdreifacht. Na ja, war vermutlich auch normal, aber für sie definitiv etwas Neues.
    Sie hatte alle Zutaten für eine Pizza eingekauft und freute sich auf einen gemütlichen Abend zu zweit. Vielleicht konnte Sven diesmal über Nacht bleiben. Bisher hatte er sich jedes Mal, wenn sie abends zusammen waren, wieder auf den Weg gemacht. Es fiel ihm auch schwer, wie sie merkte, aber sie vermutete, das hatte etwas mit Bene zu tun. Nun, das musste noch anders werden.
    Als sie gerade tropfnass aus der Dusche stieg, klingelte es. Schnell schlüpfte sie in ihren Bademantel und öffnete. Sven war schon da. Er küsste sie fest und ließ seine Hände gleich frech unter das Frotteeungetüm wandern. Doch dann band er ihr den Mantel wieder zu, nahm ihr Gesicht in seine Hände und sagte ernst: „Paula, ich wollte mich verabschieden. Ich muss weg.“ Jetzt erst sah sie, dass er blass und übernächtigt aussah.
    Paula spürte diesen Satz wie einen Schlag in die Magengrube. Was war denn jetzt los? Sie drängte ihn, in der Küche Platz zu nehmen. Er lehnte sogar einen Kaffee ab. „Sven, was ist denn?“
    Sven seufzte und es fiel ihm sichtlich schwer zu sprechen, seine Stimme war mehr ein Knarren. „Gestern kam das Schreiben eines Anwalts aus Frankreich. Amélie fordert ihr Sorgerecht ein. Sie möchte Bene bei sich haben.“ Er starrte auf einen Punkt an der Wand über Paulas Schulter und schien ganz weit weg zu sein.
    Paula blieb fast die Luft weg. Das war ungeheuerlich. Was bildete diese Frau sich ein? Nach so vielen Jahren! Tickte sie noch ganz richtig? Sie konnte nur hilflos mit dem Kopf schütteln.
    Sven nahm ihre Hand und sah ihr intensiv in die Augen: „Verstehst du, ich muss Amélie selbst sehen und die Sache mit dem Sorgerecht klären, vorher habe ich keine Ruhe.“ Er sah aus wie ein gehetzter Tiger. „Gerade jetzt, wo ich dachte, ich hätte einen Weg gefunden und es würde alles gut werden“, fügte er leise hinzu.
    „Bitte, Sven, ich kann das gar nicht so schnell verdauen. Wollen wir nicht erst mal darüber reden und vielleicht könnte ich dich ja begleiten?“, fragte Paula vorsichtig.
    Er schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, ich hätte dich nicht mit meinen komplizierten Familiengeschichten belasten sollen. Schließlich wünscht du dir den anderen Sven, den fröhlichen und unkomplizierten, das weiß ich doch.“
    Paula versuchte, ihn an der Jacke zurückzuhalten, aber er war schon auf dem Weg nach
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