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Paula geht

Paula geht

Titel: Paula geht
Autoren: Martina Nohl
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waren wirklich neun Stunden zu viel. Deswegen hatte sie dankend abgelehnt. Aber hilfsbereit war er, das musste sie ihm lassen.
    Heute würde sie jedenfalls nicht mehr ausladen. Sie überlegte, ob irgendetwas erfrieren konnte über Nacht im Auto? Ihre drei armseligen Zimmerpflanzen vielleicht und die Lebensmittelvorräte, die sie auf dem Weg bei Aldi eingekauft hatte. Und frische Bettwäsche sollte sie mitnehmen. Wer weiß, ob das noch das Bettzeug war, in dem die alte Dame verschieden war? Paula schüttelte sich und gähnte. Mit einem zerzaust aussehenden Ficus benjamini unter dem Arm zückte sie stolz den Haustürschlüssel. Sie hatte das Gefühl, sich bekreuzigen zu müssen, als sie über die Schwelle trat, aber mit dem Ficus ging das ja Gott sei Dank nicht. Sie betätigte den Lichtschalter im Flur. Nichts geschah. Ach ja, das Licht ging ja nicht. Das würde ihr erstes Telefonat morgen werden, dass die Stadtwerke den Strom wieder anschalten müssen.
    Eigentlich war sie stolze Besitzerin einer Maglite-Taschenlampe. Doch wo die wohl verpackt war? Aber von einigen Teelichtern wusste sie, wo sie waren, und Streichhölzer hatte sie in der Handtasche. Eine alte Gewohnheit, obwohl sie seit Jahren nicht mehr rauchte. Mit dem Teelicht in der Hand tastete sie sich die Kellertreppe hinunter und schaltete die Heizung ein. Die sprang nicht an. Ach ja, vermutlich ging die auch nicht ohne Strom, aber das würde sie morgen gleich angehen. Wie viel Öl noch im Tank war, hatte ihr keiner sagen können, aber das würde sie ja dann merken. Sie schrieb innerlich auf ihre Liste: Geld für Öl einplanen.
    Im Kerzenschein packte sie ein paar Lebensmittel aus. Puh, alles, was sie in der Küche anfasste, schien ziemlich verdreckt. Hier würde sie morgen erst mal kräftig putzen. Alte Leutchen sahen den Schmutz nicht mehr so. Oder vielleicht gab es Wichtigeres in den letzten Lebensjahren als Putzen.
    Als sie eine halbe Stunde später im Bett der alten Dame lag, das sie mit letzter Kraft frisch bezogen hatte, lächelte sie im Wegdämmern. Das Bett war viel zu eng, quietschte bei jedem Umdrehen, aber Paula dachte: Alles meins. Hier kann mir keiner was. Wer kann schon von sich behaupten, dass er ein Haus bar auf die Hand bezahlt hat? Stolz schlief sie ein. Einer besseren Zukunft entgegen.
    Mitten in der Nacht wachte sie auf. Irgendjemand zog an ihrer Bettdecke und hatte ziemlich Mundgeruch. Sie setzte sich ruckartig auf. Ein empörtes Meckern war zu hören. In der ersten Sekunde war Paula erleichtert, als sie nur eine Ziege vor ihrem Bett stehen sah und keinen Einbrecher. Dann aber wurde sie wütend. Wie um alles in der Welt kam die Ziege ins Haus? Ja, sie hatte nicht abgeschlossen, aber können Ziegen Türklinken öffnen? Diese versuchte nun auf ihr Bett zu steigen und schien sehr willensstark zu sein. So viel zur frischen Bettwäsche.
    „Raus mit dir! Wie heißt du überhaupt? Weißt du nicht, dass Ziegen in den Stall gehören?“ Ein zickiges „Määh“ war die Antwort. „Na, du wirst schon noch merken, wer hier die neue Chefin ist.“ Wo packt man eine Ziege, wenn sie kein Halsband hat? An den Hörnern vermutlich. Das fand die aber gar nicht witzig. Also schob Paula sie energisch mit ihren Knien zur Treppe. „Wenn du rauf gekommen bist, schaffst du es auch runter. Ab jetzt!“
    Unten gab es noch eine kleine Verfolgungsjagd, bei der Paula gegen einige Möbelstücke stieß und lauthals fluchte. Aber die Haustür stand sperrangelweit offen, so dass die Ziege irgendwann genervt das Weite suchte.
    Paula schloss schnell das Gartentor zum Ziegenbereich und stellte ein Brett unter die Klinke. Dann lehnte sie sich erschöpft von innen gegen die Haustür und schloss auch diese ab. Sie wusch sich die Hände, roch aber dennoch überall nach Ziege. Egal jetzt, wo war noch mal das Bett? Schlaftrunken stolperte sie die Treppe hoch und musste doch noch ein bisschen kichern, weil die Situation einfach zu blöd war. Mal sehen, ob sie morgen früh erkennen würde, welche von den dreien die nächtliche Besucherin gewesen war.
     
    Sie wachte früh auf und spürte ihren Rücken. Morgen schlafe ich auf meiner eigenen Matratze schwor sie sich. Ein Blick in den Spiegel ließ sie zurückzucken. Dann stellte sie fest, dass der Spiegel halbblind war, also lag doch nicht alles an ihrem Aussehen. Sie versuchte in der Badewanne zu duschen. Das Wasser, das hier kam, war braun und führte sonderbare Bröckchen mit sich. Vielleicht hatte sie auch etwas missverstanden
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