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Paula geht

Paula geht

Titel: Paula geht
Autoren: Martina Nohl
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und sie hatte es gar nicht so zu schätzen gewusst? Paula seufzte, wenn sie an ihre letzten Jahre zurückdachte und wie sie sich immer mehr von und vor den Menschen zurückgezogen hatte.
    Neu motiviert kochte sie sich den guten Zitronengrastee ihrer Mutter und setzte sich mit einigen Prüfungsfragen an den Küchentisch. Noch war sie in der Entscheidungsfindung, ob sie das wirklich wollte. Aber welche Perspektive hatte sie, wenn sie nicht mehr in die Klinik zurückwollte? Der Heilberuf lag ihr an sich schon und sie hatte sich oft geärgert, nicht mehr selbst tun zu können, weil die Ärzte manchmal so einen Schrott verordneten. Sie blätterte im Fragenkatalog, den sie sich aus dem Internet ausgedruckt hatte.
    Da hörte sie die Aufzugstür im Flur aufgehen. Ihre Mutter kam herein und wuchtete die Einkäufe auf einen Stuhl. Paula stand auf und küsste sie auf die Wange. „Was gibt’s denn heute?“
     „Ich dachte, du könntest mal was kochen. Ich habe Lust auf Lasagne und alles eingekauft.“
    „Ach Mama, du machst die doch viel besser als ich. Hast du immer noch nicht aufgegeben, mich zum Kochen bringen zu wollen?“
    „Kind, vermutlich wirst du es dir angewöhnen müssen. Kochen ist immer noch billiger als Fertiggerichte, wenn man weiß, wie man’s macht.“
    „Immerhin kann ich backen. Vielleicht kann ich ja da oben Kuchen verkaufen, vorübergehend.“
    „Und was ist das?“ Ihre Mutter deutete auf die Papiere auf dem Küchentisch.
    „Hör mal zu, ob du es errätst: Frage 41: Welche der folgenden Aussagen zur FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) treffen zu?
    A)                       In Endemiegebieten in Süddeutschland sind fast alle Zecken mit dem Erreger befallen.
    B)                      Der überwiegende Anteil der Infektionen verläuft ohne Symptome.
    C)                       Zur Verhinderung einer FSME sollte nach Zeckenbissen eine 4-wöchige Antibiotikatherapie erfolgen.
    D)                      Der Diagnose dienen neben Anamnese und klinischem Bild auch Blutuntersuchungen.
    E)                       Eine Übertragung des Erregers findet erst etwa 8 Stunden nach dem Zeckenbiss statt.“
    „Frag mich doch so was nicht. Ich könnte dir sagen, welche Konfektionsgröße Barack Obama hat, aber mit Zecken habe ich nichts am Hut. Willst du etwa nochmal studieren?“
    Paula lachte. „Hilfe, nein, dann müsste ich ja noch Abitur machen und dazu bringt mich heute vermutlich niemand mehr. Das sind Fragen aus der Heilpraktikerprüfung.“
    Ihre Mutter ließ sich ächzend am Küchentisch nieder und legte ihre Hand auf Paulas. Paula sah die Altersflecken und das Netz der blauen Adern, die ihr noch nie so aufgefallen waren. „Ich finde es toll, dass du nochmal was aus dem Leben machst. Es gab so ein paar Kreuzungen in meinem Leben, da hätte ich mich das auch mal trauen sollen. Dann würde ich jetzt nicht so am Existenzminimum herumkrebsen.“
    Paula kamen die Tränen. Ihre Mutter hatte sie immer dann unterstützt, wenn sie sie brauchte, obwohl sie am Anfang nicht begeistert gewesen war von ihrer Entscheidung. Und was konnte man mehr von einer Mutter verlangen? Sie stand auf und umarmte sie. Wieder fiel ihr auf, wie schmal sie geworden war. Früher war sie auch so mollig wie Paula.
    „Wirst du denn klarkommen hier so ohne mich?“
    „Na, du hast dich ja in der letzten Zeit auch nicht viel blicken lassen. Und ich komme dich dann mal besuchen, aber erst, wenn deine Bruchbude einigermaßen wohnlich ist.“
    Paula schluckte das Angebot hinunter, dass ihre Mutter dann ja später zu ihr ziehen konnte, wenn es hier nicht mehr ging. Diesen großherzigen Moment würde sie vermutlich nach spätestens drei Wochen bereuen. Aber vielleicht waren ja die Seniorenheime im Osten nicht so teuer wie in der Frankfurter Gegend?
    „Also, wer macht uns nun die Lasagne?“
    Paula stand auf. „Na gut, aber es wird gegessen, was auf den Tisch kommt, junge Dame.“

Kapitel 6
     
    Paula bog mit dem bis unter das Dach vollgepackten Sprinter in die Weidenstraße ein. Es waren noch dreieinhalb Wochen bis Weihnachten und bereits seit zwei Stunden dunkel. Für die 660 km hatte sie geschlagene zehn Stunden gebraucht und war jetzt einfach nur erschöpft. Zwei Studenten hatten ihr beim Einladen geholfen. Wer ihr hier beim Ausladen helfen würde, war ihr noch schleierhaft. Hubert hatte angeboten mitzufahren, aber zehn Stunden neben Hubert
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