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Paula geht

Paula geht

Titel: Paula geht
Autoren: Martina Nohl
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den kleinen Horrorladen und sie spülte schnell die letzten Krümel des kompakten Brötchens mit dem Kaffee runter. Der schmeckte so, wie sie sich immer den Nachkriegskaffee aus Eicheln vorgestellt hatte. Vielleicht war es aber auch einfach Malzkaffee. In dieser Liga kannte sie sich nicht so aus.
    Frau Weinbrenner erzählte inzwischen aus der Küche weiter und Paula wählte die Nummer der Maklerin, die sie heute zu drei Objekten geleiten würde. Die nahm sofort ab und Paula kündigte sich nochmals an. Dann stand sie auf, bedankte sich artig und wollte den Stuhl an den Tisch schieben, aber die Fangarme ließen das nicht zu. Frau Weinbrenner stürzte herbei, beachtete Paula nun kaum mehr und redete mit ihren Pflanzen weiter. So langsam hörte sich Paula ein in die hiesige Sprache und meinte so etwas zu verstehen wie: „Ja, meine Lieben, gleich gibt’s Happihappi, aber nur, wenn ihr heute Nacht brav gewesen seid.“ Sie konnte sich aber auch verhört haben.
    Die Maklerin war ein Kulturschock. Im Businessdress mit Schuhen, die die Besichtigungstour voraussichtlich nicht unbeschadet überstehen würden, musterte sie Paula abschätzig. So sahen also Menschen aus, die für sechstausend Euro Häuser kaufen wollten. Das konnten ja nur Verrückte oder Schnorrer vom Dienst sein, las Paula in ihren Augen hinter der hippen 60er-Jahre-Hornbrille, die jeden Menschen zuverlässig entstellt.
    „Steigen Sie ein“, sagte die junge Dame. Und schon saß Paula in einem tiefergelegten Sportwagen, der die holprige Dorfstraße hinunterbrauste. Sie merkte, wie so langsam ein Flattern aus ihrem Bauch in die Kehle hinaufstieg: Jetzt wird’s ernst, Paula. Aber noch kannst du zurück. Du musst gar nichts, niemand zwingt dich, hierher zu ziehen, sprach sie sich beruhigend zu.
    Die frühe Sonne schimmerte über den Wasserflächen, als sie über das Land fuhren, und die Novemberfarben der Wiesen und Wassergräben verbreiteten ein sanftes Leuchten. Paula lehnte sich zurück und wurde gleich wieder zuversichtlicher. Nicht umsonst hatte sie Monate recherchiert. Sich jede Menge deutscher Landstriche in Bildern angeschaut, mindestens tausend Häuser per Internet geprüft und wieder verworfen. Und nun war sie hier. Das war der erste Schritt zum großen Schritt. Die Maklerin bremste abrupt, Paula stemmte sich mit den Füßen gegen den Fußraum, um nicht mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe zu stoßen.
    Flink war die adrette junge Dame an der Haustür des ersten Objekts und versuchte mit dem Schlüssel die Tür aufzuschließen. Da brach das ganze Schloss heraus und fiel polternd hinunter. Als wäre nichts passiert, schob sie die Tür auf und winkte Paula herein. Sie standen direkt vor einer steilen Treppe, die ins obere Geschoss führte. Rechts und links davon konnte man sich vorbeiquetschen. Die Maklerin versucht, ihren Blazer nicht staubig zu machen, was ihr nicht gelang.
    Tapetenfetzen hingen von den Wänden, aber an diesen Anblick hatte sich Paula in der Preisklasse inzwischen schon gewöhnt. Sie klopfte gegen einige Wände und trat in die Küche, geblendet von der Sonne, die durch die spinnwebenbehangenen Fenster fiel. Die Maklerin schwadronierte etwas von „Potential“ und „ein wenig handwerklichem Geschick“.
    Paula wanderte durch die Zimmer, es gab viele und alle waren recht klein. Sie sah aus den Fenstern und ihr Blick fiel auf einen trostlosen Hinterhofgarten, der zur Hälfte für eine einsame Wäscheleine asphaltiert worden war. Die Nachbarhäuser standen recht eng. Und sie schüttelte nach wenigen Minuten den Kopf. Auf dem Rückweg machte sich die Maklerin die andere Seite ihres Blazers schmutzig und verpasste der Haustür, die nun nicht mehr schließen wollte, einen wütenden Tritt.
    In Windeseile ging es zum nächsten Objekt. Vermutlich hatte die Dame heute noch wichtigere Verabredungen, zumindest wünschte ihr Paula das. Während sie das Ende einer kleinen Seitenstraße, recht zentral in einem kleinen Dorf nahe Penzlin gelegen, erreichten, stieg die Spannung. Dieses Haus war ihr absoluter Favorit gewesen. Nicht zu groß und nicht zu klein, mit einem alten Schuppen, der das Zeug zum Hobbyraum hatte, und mit einem Grundstück von immerhin 465 Quadratmetern. Genug Platz also für einen Bauerngarten.
    Das Gartentor quietschte und sofort kam eine Ziege neugierig auf sie zu. „Wer bist du denn?“, fragte Paula, während sie das Tier vorsichtig kraulte. Da trabten zwei weitere Tiere um die Ecke. Die Maklerin rettete sich auf den
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