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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse
Autoren: Jan Beinssen
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dann waren da noch meine Haare an den Händen des Toten.« Sie rang nach Luft. »Selbst du musst zugeben: Ich hätte schlechte Karten gehabt.«
    »Densdorf hat deine Situation also ausgenutzt«, stellte Paul fest.
    Lena nickte. »Er hat mich erpresst. Schlicht und einfach. Mitgefangen, mitgehangen.«
    Paul wollte seine Freundin nicht so einfach davonkommen lassen. »Du hast Densdorf also ermordet. Du hattest dafür zwar einen guten Grund, aber das rechtfertigt deine Tat nicht.«
    Lenas Pupillen weiteten sich. »Weißt du, dass ich alles versucht habe, um den Ausgang dieser Geschichte anders zu gestalten? Weißt du, dass ich mich zur Hure gemacht habe, um Densdorf von seinem Vorhaben abzubringen?«
    Paul senkte den Blick. »Ich verstehe es noch immer nicht: Warum bist du nicht sofort zur Polizei gegangen? Nach dem Vorfall im Dürerhaus? Oder spätestens als Densdorf dich erpresst hat?«
    »Ich konnte doch nicht«, beharrte Lena, wobei ihre Stimme schrill und metallisch klang. »Densdorf war eiskalt. Er hätte mich zu seinem nächsten Opfer gemacht.«
    »Ihm genügte es nicht mehr, dass du schwiegst – er wollte Sex von dir«, sagte Paul.
    »Ja«, sagte Lena mit versteinertem Ausdruck, und sie tauchte ein zweites Mal in die Vergangenheit ab. »Das fette Schwein drückte mich fest an sich. Ich roch seinen Altmännerschweiß, der durch den dicken Stoff seines Wintermantels drang. Ich ekelte mich vor ihm. Aber vielleicht hätte er ja nach diesem Abend Ruhe gegeben.« Lena mied seinen Blick und sagte knapp: »Wie gesagt: Es stand einfach zu viel auf dem Spiel. Ich dachte mir, dass ich mir mit dieser Affäre sicher keinen Zacken aus der Krone brechen würde.«
    Paul musste tief durchatmen. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich dein Verhalten nachvollziehen kann. Aber, bitte, erzähl weiter.«
    Lena nahm den Faden wieder auf: »Diesen Abend zog ich noch durch, dann musste Schluss sein. Er schlenderte über den Christkindlesmarkt, ich stocksteif an seiner Seite. Dass er sich nicht schämte! Man hätte uns erkennen können. War es ihm wirklich ganz egal, was seine Frau gedacht hätte? Schnell tauchten wir in das Gedränge ein. Er trank viel zu viel. Er lallte. Aber das war fast schon egal. Seine Worte waren ohnehin nur belanglose Anzüglichkeiten.
    Als die Lichter ausgingen und Ruhe einkehrte und alle Welt auf den Prolog des Christkinds wartete, schwelgte er im Rausch.«
    »Lena«, unterbrach Paul die Gedanken, die sich hinter der glatten, weißen Stirn der Frau abspielten, die er seit vielen Jahren zu kennen glaubte, aber wohl nie ganz verstanden hat.
    »Lena«, wiederholte er ihren Namen. Leiser, beinahe zärtlich. »Mit jedem deiner Worte wird deine Schuld klarer. Ich werde am Ende nicht viele Möglichkeiten haben.«
    »Du willst mich wirklich anzeigen, ja?« Lena beugte sich zu ihm vor. Sie blickte ihm geradewegs in die Augen. »Dann hör weiter gut zu. Ich bin froh, wenn ich mit diesen Gedanken nicht mehr allein bin: Alles war still und dunkel. Man hörte nur das Gekicher von Kindern, und selbst das war verdächtig leise. Andächtige Stille, die jeder achtet. Nur Densdorf nicht. Er zerrte an meinem Ärmel. Wir drängten uns durch die Menge, wütende Blicke verfolgten uns. Densdorf kannte sich gut aus in der Budenstadt. Er wusste, dass er hier tun und lassen konnte, was er wollte. Schwärzte ihn ein Markthändler an, kassierte Densdorf beim nächsten Christkindlesmarkt seine Lizenz. Und das ist eine Lizenz zum Gelddrucken. Wir zwängten uns durch eine enge Gasse zwischen zwei Buden. Dahinter waren wir unter uns. Ich sah Versorgungsrohre, Kabel, zum Spülen bereitstehende Paletten mit gebrauchten Glühweinbechern. Densdorf steuerte zielstrebig einen tonnenförmigen Container an, der im Schatten der Buden lag. Beim Näherkommen sah ich, dass es kein Container war, sondern ein Fass. Ein riesiges, aufrecht stehendes Fass. Es stank penetrant nach billigem, süßem Alkohol. Von seinem eigenen Alkoholpegel war wenig zu merken, als Densdorf vor mir die Stufen einer schmalen Treppe hinaufstieg. Er blickte sich nach mir um, befahl mir ihm zu folgen. Aber ich hielt mich im Hintergrund. – Zum Glück, sonst hättest du mich auf deinen Fotos sofort erkannt.«
    »Was ist dann passiert? Wie konnte Densdorf am Ende in die Pegnitz stürzen?«, drängte Paul.
    Lena fuhr fort: »Ich hörte sein kehliges Lachen, als er den Deckel des Fasses beiseite stieß. Er beugte sich tief hinab. Seine Stimme klang merkwürdig hohl und dumpf – und für
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