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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse
Autoren: Jan Beinssen
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Spur einer Falle. Da war nichts Heimtückisches herauszulesen.
    Paul hob das Glas an und hielt es gegen das Licht der Deckenstrahler. Im trüben Gelb trudelten winzige Schwebkörper. Das konnten Apfelfasern sein.
    »Hast du die drei Männer tatsächlich …?«, deutete er dann beinahe ängstlich an.
    Lena zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Nein, nicht einen von ihnen«, sagte sie. »Aber das wirst du mir nicht glauben. Niemand wird mir das glauben. Meine Lage ist – so abgedroschen das klingen mag – aussichtslos.«
    Paul stellte das Glas ab. Er spürte, wie die Adern an seinen Schläfen pochten. Sein Ton war schärfer, als er sagte: »Ich werde die Polizei rufen. Freundschaft hin oder her – du bist eine Mörderin!« Er fuhr sich durchs Haar und atmete tief durch. »Lena, du warst mir immer vertraut. Was ist in dich gefahren?«
    »Kannst du deinen Anruf so lange aufschieben, bis ich dir ein paar Dinge erklärt habe?«, fragte Lena.
    »Da bin ich aber gespannt«, sagte Paul kalt.
    »Dieser Kunststudent …«, begann sie.
    »… den ich mit zertrümmertem Schädel neben dem Grab des heiligen Sebald gefunden habe«, setzte Paul fort.
    Lena nickte. Ihre blasse Haut wirkte jetzt noch blutleerer. »Er war ursprünglich gelernter Kirchenmaler. Das hat ihn nicht ausgefüllt. Das monotone Blattgoldkleben, bei dem er weder niesen noch sich hektisch bewegen durfte, ödete ihn an. Er schmiss den Job und begann Kunstgeschichte zu studieren, worin er anfangs auch gut vorankam. Aber der arme Mensch hat sich verzettelt, war bald pleite. Sein Elternhaus unterstützte ihn schon lang nicht mehr. Dann kam der Alkohol ins Spiel, und den Rest der traurigen Geschichte kennst du ja.«
    »Da tratest du auf den Plan, nehme ich an«, folgerte Paul.
    »Ja, ich bin auf seine Fähigkeiten schon vor längerer Zeit in der U-Bahn-Passage Weißer Turm aufmerksam geworden, wo er sich nach dem gescheiterten Studium etwas dazuverdienen wollte. Er hatte mit bunter Kreide ein richtiges kleines Wunderwerk auf das Pflaster gezaubert, woraufhin wir ins Gespräch gekommen waren. Irgendwie habe ich ein Faible für diesen armen Kerl entwickelt und ihn immer mal wieder aufgesucht und mich mit ihm unterhalten. – Nun, da ich auf der Suche nach jemandem war, der ein historisches Gemälde einschätzen kann, erinnerte ich mich an ihn und machte ihm ein Angebot. Ich wusste inzwischen, dass er in Erlangen eine Zeit lang recht erfolgreich studiert hatte. Er verfügte über ein gutes Basiswissen, gerade was die Dürer-Dekade anbelangte, und war damit für meine Zwecke genau der Richtige. Schließlich konnte ich wohl kaum einen etablierten Kunstsachverständigen hinzuziehen.«
    »Das Gemälde, von dem du sprichst, konntest du demnach nicht zu einem Sachverständigen ins Museum bringen.«
    »Schwerlich. Man hätte es mir abgenommen.«
    »Wie vornehm du dich ausdrückst, wenn du von ganz normalem Diebesgut sprichst.«
    »Ich dachte, du kennst mich? Dann müsstest du ahnen, dass die Sache anders gelaufen ist«, protestierte Lena.
    Paul fixierte wieder das Glas auf dem Tisch vor ihm, dessen Inhalt bernsteinfarben funkelte. »Lass uns das Pferd nicht von hinten aufzäumen: Wie bist du – beziehungsweise seid ihr – auf das Bild gestoßen?«
    Lena hatte etwas Melancholisches in ihrem Blick. Sie strahlte mit einem Mal eine Ruhe aus, als hätte sie mit allem abgeschlossen und als ob es nicht mehr der Mühe wert wäre, sich zu erklären.
    »Ich hatte vierzehn Stunden durchgearbeitet«, sagte sie mit leiser Stimme. »Dieser Job frisst mich auf. Für was mache ich das eigentlich alles? Ich hasse es, wenn die anderen auf einen pünktlichen Feierabend drängen, weil sie ihren Kindern vorm Schlafengehen unbedingt noch eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen müssen. Das Dürerhaus sei eine Nummer zu groß für mich, hat die Konkurrenz behauptet. Jetzt sehen sie, wie sie sich getäuscht haben. Wir sind voll im Zeitlimit geblieben – auch wenn ich mich dabei aufgerieben habe. Saubere Arbeit. Ich bin stolz. Ja, ich liebe es, abends durch dieses Gebäude zu gehen. Wenn wir allein sind, erzählt es mir Geschichten, und es sagt Danke zu mir. Danke dafür, dass ich mir so viel Mühe mit ihm gebe. Seht ihr, ich habe auch ein Kind. Ein anspruchsvolleres, als ihr es habt.«
    Paul hörte ihr gebannt zu und musterte sie mit einer Mischung aus Erstaunen, Mitleid und Abneigung. »Was ist in jener Nacht geschehen?«, zwang er sie zurück aufs Thema.
    »Wie gesagt: Ich habe meine Baustelle
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