Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Patterson James

Patterson James

Titel: Patterson James
Autoren: Gruene Weihnacht
Vom Netzwerk:
oder so.
Sogar ich musste einräumen, dass das Ganze hier nicht Mike
Kidds Schuld war.
    »Wie lange haben Sie denn nun hier gearbeitet?«, fragte er
schließlich.
»Dreiundzwanzig Jahre«, antwortete ich. Kaum zu glauben,
dass diese Worte eben aus meinem Mund kamen.
»Wow. Da hätten Sie es ja inzwischen fast zum Vorsitzenden
bringen müssen. Also, ich meine nur…«
»Ist schon okay. Schon in Ordnung, Mike.«
»Sie müssen jung angefangen haben. Sie können nicht älter
als zwei-, dreiundvierzig sein.«
»Wenn Sie es genau wissen wollen, ich bin fünfzig.«
Er erhob sich von der Couch. »Die Personalabteilung wird
Ihnen mit allen Details behilflich sein, Travis.« Er schüttelte mir
die Hand und ging.
Ich war raus aus dem Werbegeschäft.
Ich war frei. Ich konnte machen, was ich wollte.
Ich griff meine Jacke und ging schnurstracks nach draußen,
ohne an irgendjemanden ein Wort zu verschwenden oder in
der Personalabteilung Halt zu machen. Ich schaffte es gerade
noch auf die Straße, bevor ich mich vornüberbeugen musste
und sich ein Schwall Hühncheneintopf auf die glänzenden,
schwarzen Steinplatten unter dem »Leo Burnett & Company«-Schild ergoss.
Ach, der süße Geschmack der Freiheit!
KAPITEL 9
W
ie sagt man so schön? – Pass bloß auf, was du dir wünschst,
    womöglich bekommst du es!
Ohne nachzudenken, wo ich eigentlich hinwollte, ging ich die
Clark Street Richtung Norden hinauf, und allmählich ließ
meine Untergangsstimmung nach. Nicht dass ich wüsste
weshalb, außer vielleicht, weil es einem, nachdem man sich
übergeben hat, immer irgendwie besser geht.
Ich hatte doch einen Plan. Hatte ich nicht einen Plan? Auf jeden
Fall brauchte ich jetzt einen.
Mir fiel wieder auf, wie gerne ich diese riesige, offene Stadt
mitten in Amerika mag. Sie ist nicht im Mindesten »hip«, sie
hat nichts Großspuriges. Ein Ort mit langen, kalten Wintern
und prachtvollen Sommern, an dem sich die Menschen abrakkern, um etwas zu schaffen, und während ich an stocknüchternen Kneipen, Pizza Parlours, Coffee Shops und Buchläden
vorbeistolperte, ein paar Wochen jenseits der Fünfzig, irgendwo in der Mitte meines Lebens angelangt, spürte ich genau, dass auch ich noch jede Menge Kraft in mir hatte, um etwas zu erreichen.
Mike Kidd hatte mich auf zweiundvierzig geschätzt. Himmel
noch mal, ich konnte ja selbst kaum glauben, dass ich schon
fünfzig war. Ich fühlte mich eher wie siebenunddreißig, oder
achtundzwanzig, oder vierzehn.
Aber egal, wie alt ich wirkte oder mich fühlte – es ließ sich
nicht leugnen, dass die Zeit allmählich kostbar wurde. Die Uhr
tickte. Und wenn ich in diesem letzten Drittel meines Lebens,
oder was auch immer es war, noch irgendetwas Bedeutsames
vollbringen wollte, dann war es höchste Zeit, damit anzufangen.
Und zwar gleich.
Ohne noch lange zu überlegen, ging ich zu einer Bank. Ich
überwies dreitausend Dollar von meinem Sparkonto auf mein
Girokonto.
Ich kaufte Briefumschläge und Briefmarken und schickte einen Dreitausend-Dollar-Scheck – die Teilnahmegebühr für die
Senior Qualifying School – an das Büro der Pro Golf Association in Ponte Vedra Beach, Florida. Genau das soll man doch
nach einer Kündigung machen, oder nicht? Noch in der nächsten Stunde dreitausend Dollar ausgeben, damit das Blut wieder zirkuliert.
Dann ging ich in ein griechisches Cafe und schrieb einen
langen, emotionalen Brief an Elizabeth. Sie war bereits wieder
in New Haven. In dem Brief schilderte ich ihr, wie mein heutiger Tag bisher verlaufen war und wie meine Zukunftspläne
aussahen, vor allem aber sagte ich ihr, wie lieb ich sie hatte. Ich
muss dabei wohl vor Rührung ein wenig feuchte Augen bekommen haben, denn als ich aufstand und zahlte, sahen mich
die Kellnerinnen mit komischen Blicken an.
Auch nachdem ich all diese Angelegenheiten erledigt hatte,
war es erst mitten am Nachmittag. Ich nahm einen frühen Zug
heim nach Winnetka. Ich holte Noah vom Kindergarten ab und
ging mit ihm zusammen einkaufen.
Als Sarah und Simon schließlich zu Hause eintrafen, erwartete ich sie schon mit Linguine und Muschelsauce, Knoblauchbrot und einem riesigen Salat aus verschiedenen Gemüsesorten, der zufällig Sarahs Lieblingsrohkost war.
Die ganze Zeit über dachte ich: Ich muss mit Sarah sprechen.
Ich muss unbedingt mit Sarah sprechen. Und die Tatsache,
dass ich das noch immer nicht getan hatte, verlieh dem Essen
eine surreale Note, die dem Letzten Abendmahl alle Ehre gemacht hätte.
»Wundert sich denn niemand«, fragte ich, sobald
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher