Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Patient Null

Titel: Patient Null
Autoren: J Maberry
Vom Netzwerk:
und runter, bis ich sie auswendig konnte.
    Als Belohnung dafür, dass ich Alarm geschlagen hatte, durfte ich am Dienstagmorgen bei der Aushebung mitmachen. Dreißig von uns in schwarzen Kampfanzügen mit schusssicheren Kevlar-Westen, Arm- und Beinschützern, Helmkameras und kompletter SWAT-Ausrüstung. Die gesamte Einheit war in Teams à vier Mann aufgeteilt. Je Team waren zwei mit einer MP5 bewaffnet, einer hatte eine Glock.40 und einen ballistischen Schutzschild, um uns Deckung zu geben, und der Vierte trug eine Remington 870-Pumpgun. In meinem Team hatte ich die Pumpgun, und wir stürzten uns wie ein Schwarm Hornissen auf die Lagerhalle. Wir schwärmten durch jede Tür, jedes Fenster. Blendgranaten, Scharfschützen auf umliegenden Gebäuden
und unsere Bodentruppen, die aus jeder Öffnung laut brüllend und schießend das ganze Gebäude hochnahmen. Also die typische Shock-&-Awe-Taktik mit dem Ziel, den Gegner zu überraschen und zu überwältigen, ehe er auch nur daran denken kann, sich zu wehren. Das Letzte, was wir in diesem Augenblick brauchen konnten, war eine O.K.-Corral-Schießerei wie vor hundert Jahren.
    Mein Team stand vor einer Hintertür, die zu einer kleinen Bootsanlegestelle führte. Dort lag ein Rennboot mit einer langen Schnauze. Nicht neu, aber auch nicht zu verachten. Als wir auf das Startkommando warteten, starrte mein Kollege und Freund Jerry Spencer von der DCPD darauf. Ich lehnte mich zu ihm hinüber und summte die Melodie von Miami Vice. Er fing zu grinsen an. Jerry stand kurz vor seiner Pensionierung, und das Boot stellte so etwas wie sein Ticket ins Paradies dar.
    Dann hieß es »Go«, und schlagartig war totaler Stress angesagt. Wir pulverisierten den Stahlbolzen, der die Tür sichern sollte, fielen ein und brüllten, was das Zeug hielt. »Keine Bewegung! Waffen auf den Boden! Hände hoch!« Seit ich bei der Baltimore-Police angefangen hatte, war ich bereits an fünfzehn bis achtzehn solcher Aktionen beteiligt gewesen. Bisher war erst zweimal jemand hirnrissig genug gewesen, eine Waffe auf uns zu richten. Polizisten ziehen diese Show nicht zum Prahlen ab. Das ist keine Aktion à la »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Coolste im ganzen Land«. Es geht nicht darum, wer mehr Mumm in den Knochen hat, sondern den Gegner so zu überwältigen, dass kein einziger Schuss fällt. Ich konnte mich noch gut an unsere Ausbildung erinnern. Der Commander hatte ein Zitat aus dem Film Silverado auf einer Tafel verewigt und es an die Wand der Trainingshalle gehängt: »Ich will dich nicht töten, und du willst nicht sterben.« Ich glaube, es war ein Satz von Danny Glover. Das war so ziemlich genau unser Motto.

    Normalerweise standen also die Gangster dumm in der Gegend herum und glotzten, bevor alle auf einmal loslegten, wie unschuldig sie doch seien. Das übliche Blabla eben.
    Normalerweise.
    Diesmal lief das Ganze allerdings etwas anders ab.
    Jerry, der Älteste der Taskforce, war unser Deckungsmann mit dem ballistischen Schild. Ich befand mich direkt hinter ihm, während unsere beiden Kollegen wiederum hinter meinem Rücken waren. Wir traten die Tür ein und eilten den kurzen, mit irgendwelchen Zertifikaten zugehängten Korridor entlang, ehe wir zu unserer Linken eine Tür sahen. Auch sie brachen wir auf und landeten in einem großen Konferenzraum. In der Mitte ein großer Eichentisch, auf dem mindestens ein Dutzend Laptops geparkt waren. Neben der Tür stand ein blauer Container – ungefähr so groß wie eine Telefonzelle älteren Baujahrs. Am Tisch saßen acht Männer, allesamt in feinen Anzügen.
    »Keine Bewegung!«, brüllte ich. »Hände über den Kopf und …«
    Weiter kam ich nicht, denn jeder von ihnen fiel blitzschnell vom Stuhl und zog eine Knarre. O.K. Corral Nummer zwei. Hervorragend.
    Als mich die Internen fragten, wie viele Schüsse ich abgegeben und auf wen genau ich gezielt hatte, fing ich zu lachen an. Zwölf in einem Zimmer, alle die Finger am Abzug, als ob sie Parkinson hätten. Wenn jemand nicht das Gleiche trägt wie du und man ziemlich eindeutig ausmachen kann, dass es sich um keinen unschuldigen Zivilisten handelt, schießt man und sucht Deckung. Erst pumpte ich also die Remington leer, dann kam die Glock dran. Ich weiß zwar, dass ein.40 Kaliber Standard ist, hatte aber schon immer eine Vorliebe für das.45 Kaliber – irgendwie ein überzeugenderes Gefühl.
    Angeblich sollte ich vier von ihnen umgenietet haben. Ich ritzte mir keine Kerben in mein Eisen, musste
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher