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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten
Autoren: William Brodrick
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Poplar weggegangen und hätte ihn zurückgelassen. Er wollte sie einholen. Wortlos schlang er einen Gummiring um die Scheine und warf sie in die Tüte.
    »Du kannst mir vertrauen, das weißt du«, sagte Nancy leise.
    Sie war schon wieder so komisch, auch wenn Riley nicht sagen konnte, was es genau war. Aber sie ließ ihn über Vertrauen nachdenken: Es hatte sie zusammengehalten, selbst im Zusammenbruch.
    Nancy hob ihren Rock und steckte das Geld vor ihrem Bauch in die Strumpfhose. Dann ging sie ins Hinterzimmer und kam mit einem grauen Rucksack wieder. Riley hatte ihn im Keller eines Bergsteigers gefunden.
    »Ich möchte noch ein paar Ziegelsteine am Kanal sammeln«, sagte Nancy und fügte stolz hinzu: »Für mein Kräuterbeet.«
    Riley war entsetzt. »Du willst doch wohl nicht mit fünf Riesen in der Strumpfhose am Cut entlanglaufen?«
    »Da guckt doch keiner nach.«
    »Nancy, hast du schon mal was von Räubern gehört … von Überfällen?«
    »Das ist noch nie passiert.«
    Prosser rief: »He! Ich friere hier draußen.«
    »Ich will das Beet fertig machen«, erklärte Nancy entschieden.
    »Na gut, in Ordnung«, gab Riley seufzend nach. Er würde Nancy bis in die Hölle folgen, ganz zu schweigen vom Limehouse Cut.
     
    Sie gingen Seite an Seite. Riley hatte den Rucksack auf. Der Himmel hatte die rötlich braune Farbe von Fallobst. Nicht weit entfernt sprühte ein Lagerfeuer Funken. Rauchschwaden und Gummigeruch wehten über den Treidelpfad am Kanal. Die Stille war trügerisch. Irgendwo vor ihnen war ein Fuchsbau. Sobald es dunkel war, würden sie schreien wie bei einem Gemetzel. Nancy blieb stehen. Sie hatte einen Ziegelstein entdeckt. Während sie seine Kanten prüfte, sagte sie: »Es hat alles mit der Quilling Road angefangen.«
    »Was?«
    »Unser Ärger.«
    Riley schloss die Augen und stolperte leicht. Er wollte nichts davon hören. Eine alte Stimme meldete sich in ihm und er lauschte: »Das konnte ich doch nicht ahnen.«
    Er hasste die Schwäche, das Jammern, die Feigheit. Aber sie waren Waffen, und er hatte gelernt, sie automatisch einzusetzen.
    »Natürlich nicht«, sagte Nancy mitfühlend. Sie trat hinter Riley und kämpfte mit den Schnallen des Rucksacks. Sie warf den Ziegelstein hinein und ließ die Klappe offen.
    Sie gingen weiter und näherten sich dem Feuer. Riley fragte sich: Konnte das wirklich so einfach sein? War die Zukunft ein freies Feld? Er spürte einen Schauer der Erregung. Von Prossers Geld würde er sich neue Schuhe kaufen. Die Tarnjacke würde er wegwerfen.
    Nancy bückte sich und beklagte sich dabei über ihre alten Knie. Unter weiterem Gestöhne über ihre Glieder hob sie zwei Ziegelsteine auf und sagte: »Es war furchtbar, als dieser Junge ertrunken ist und die Polizei versucht hat, es dir anzuhängen.«
    Die Bemerkung war wie ein Schlag ins Gesicht. Nancy hatte diese Geschichte noch nie angesprochen. Aber jetzt redete sie, als säße sie mit Babycham im Waschsalon.
    Wütend sagte Riley: »Cartwright hat mich nie in Ruhe gelassen.« Er pfiff leise, weil er dicht genug an die Wahrheit herangeschlittert war, um hereinzufallen.
    »Ich wei-iß«, sang Nancy ebenso verärgert wie er, und er sah förmlich vor sich, wie sie Babycham in die Rippen stieß.
    Nancy packte die Ziegelsteine in den Rucksack und Riley brachte die Riemen mit einem Schulterzucken in eine bequemere Position. Nachdem der Junge ertrunken war, hatte Riley erwartet, dass der Major in Poplar auftauchen würde – um ihn mit dem alten, stillen Drängen zu bearbeiten. Aber er kam nicht. Zum letzten Mal waren sie sich im Old Bailey begegnet, als er gesagt hatte: »Sie können dich einsperren, aber sie können dich nicht daran hindern, diesen ersten Schritt zu tun.« Der Major war damals hart und verzweifelt. Wo mochte er stecken. Was würde er ihm raten, was er Nancy sagen sollte?
    Mittlerweile war es dämmrig, und der Kanal verschmolz an den Rändern mit dem Ufer. Der Himmel hatte seine Farbe verloren und war ebenso schiefergrau wie die Dächer der Lagerhäuser. Nancys Stimme drang gedämpft von einem Stacheldrahtzaun herüber, an dem sie herumstöberte.
    »Deshalb haben sie dich also wieder mitgenommen?«
    »Was glaubst du denn?« Es klang wie ein »Ja«. Riley wusste nicht, was er sonst hätte sagen sollen. Sie hatten seit dem Tag, an dem sie ihn ohne Anklage entlassen hatten, nicht mehr über seine Verhaftung gesprochen. Hinterher hatte sie ganz blass ausgesehen, und er war nicht schlau aus ihr geworden. Plötzlich zerrte sie
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