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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten
Autoren: William Brodrick
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zusammenfalten. Seine kupferroten Augenbrauen waren gerade, als hätten sie einen Stromstoß bekommen. Auf einen Wink drehte Anselm zwei Zigaretten.
    »Global gesehen, habe ich eine gewisse Erleichterung gefunden«, sagte Louis nachdenklich.
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Meine Eltern trifft doch keine Schuld.« Gemächlich blies er den blauen Rauch in die Luft. »Ich bin schuld.«
    »Lass dich nicht täuschen.«
    Louis deutete mit dem Kopf auf den Roller. »Wo warst du?«
    »Holz kaufen für die Uferbefestigung des Lark.«
    »Ich hoffe, du hast eine Quittung.«
    Anselm hatte sie weggeworfen. »Wieso?«
    »Cyril ist völlig durchgedreht. Wie immer um diese Jahreszeit. Er macht die Buchführung und kann 28 Pence nicht belegen.«
    Als Cellerar war Cyril für die Finanzen des Klosters zuständig und stand als kaufmännischer Kopf hinter der Vermarktung diverser Produkte aus Äpfeln und Pflaumen. Bevor er nach Larkwood kam, hatte er bei einem Arbeitsunfall einen Arm verloren und erinnerte nun etwas an einen einarmigen Banditen, der bis oben hin voll war mit Früchten und Zahlen.
    »Wo wir gerade von Wahnsinn reden«, griff Louis das Gespräch wieder auf und kramte in der Tasche seines Habits, »das hat der alte Sylvester mir ins Fach gelegt.«
    Anselm faltete den Zettel auseinander: »Elizabeth hat angerufen. Roddy ist tot.«
    Kronanwalt Roderick Kemble war Anselms früherer Vorgesetzter in der Anwaltskammer, ein Freund und Mentor aus halb vergessenen Zeiten. »O Gott.«
    Er lief an die Rezeption, wo Sylvester mit den Knöpfen kämpfte, um eine Telefonleitung nach draußen frei zu schalten – ein alltägliches Problem in Larkwood. Anselm juckte es in den Fingern, sich den Telefonhörer zu schnappen und Sylvester an die Gurgel zu springen, aber nach einer Weile konnte er seinen Anruf tätigen und fand seinen wachsenden Verdacht bestätigt. »Ich bin noch da«, sagte Roddy, »aber Elizabeth nicht.«
    Anselm trat hinaus in die Sonne. Er schaute nach Saint Leonard’s Field, als sei er gewarnt worden, und dachte an den Schlüssel.
     
    Anselm suchte sich ein ruhiges Fleckchen am Fluss – an diesen Platz war er auch mit Elizabeth gegangen, als sie vor drei Wochen plötzlich aufgetaucht war. Ein schmales Blumenbeet verlief an einer Mauer entlang bis zu einem Torbogen. Dahinter bog er nach rechts und setzte sich auf eine Bank aus behauenem Stein – ein Überrest der mittelalterlichen Abtei, den einer der Traktoren ausgegraben hatte. Davor plätscherte der Lark zwischen der Uferbefestigung aus schwarzem Holz dahin. Elizabeth hatte neben ihm gesessen. »Ich brauche deine Hilfe«, hatte sie ruhig erklärt.
    Als Anselm jetzt an dieses Gespräch dachte, fiel ihm ihr spontaner Besuch vor zehn Jahren ein – ihre letzte Begegnung, bevor er den Anwaltsberuf an den Nagel gehängt hatte. Kaum einen Monat später war er nach Larkwood gegangen. Damals hatte er sich zu Hause in Finsbury Park gerade den Ostrich Walk von Bix Beiderbecke angehört, als es an der Tür klingelte (Anselm war versessen auf Jazz jeder Art, der aus der Zeit vor einem undefinierbaren, aber tragischen Zeitpunkt irgendwann in den 1950er Jahren stammte). Es war Elizabeth mit einer Schachtel Milk-Tray-Pralinen.
    »Ich nehme an, solche Köstlichkeiten bekommst du im Kloster nicht«, sagte sie.
    Sie saßen in Anselms kleinem Garten, aßen Pralinen und schwelgten in Erinnerungen, während Bix zu Goose Pimples überging. Sie redeten über den Beruf und seine merkwürdigen Kompromisse.
    »Wir stehen immer auf einer Insel«, sagte sie, »an dem kalten Ort des Nichtwissens und Sich-nicht-darum-kümmern-Dürfens.« Ihr Haar fiel nach vorn: Es war glatt, schwarz und gerade geschnitten wie das einer Pharaonin. Eine silberne Strähne marmorierte eine Seite. Sie war erst vor kurzem fast über Nacht aufgetaucht. »Wir wissen nie, ob sie schuldig sind, und es darf uns nicht kümmern, ob sie unschuldig sind. Die Begriffe sind natürlich austauschbar. Und trotzdem kümmert es uns; mehr als die meisten. Aber wir sind von unserem Gewissen abgeschnitten.« Sie betrachtete ihre Hände, musterte ihre Handflächen. »Ich bin sicher, da draußen gibt es für jeden von uns einen Prozess, der sich zwischen das Nichtwissen und das Sich-nicht-darum-kümmern-Dürfen schleichen und uns von diesem Inselstrand holen kann.«
    Anselm griff nach einer Praline, und Elizabeth lächelte schmallippig.
    Damals wie jetzt fiel Anselm ihre Eindringlichkeit auf, denn Elizabeth neigte wie viele Anklagevertreter
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