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Parrish Plessis 01 - Nylon Angel

Parrish Plessis 01 - Nylon Angel

Titel: Parrish Plessis 01 - Nylon Angel
Autoren: Marianne de Pierres
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Unsterblichkeit.
    Jamon hatte für denselben Traum alles riskiert und alles verloren.
    Verlangen. Das war die wahre Energie, die die menschliche Welt antrieb, und die Eskaalim würden diese Energie für ihre Zwecke nutzen, sich mit ihr vollsaugen und uns Menschen besiegen.
    Das Einzige, wonach es mich im Moment verlangte, war eine Dusche und dann eine Hand voll Schmerztabletten sowie eine ordentliche Mahlzeit. Danach wollte ich mich für mindestens eine Woche in einem Bett verkriechen, mit jemandem an meiner Seite, der nichts anderes im Sinn hatte, als mir den Rücken zu massieren.
    Doch das wirkliche Leben war nun einmal eine Hure und nicht das schöne Märchen. Also befreite ich die tote Stellar aus der Plastik und hüllte ihren Körper in ein Leichentuch.
    Ich hatte das Gefühl, für sie beten zu müssen – oder um sie trauern.
    Doch keines von beidem wollte mir gelingen.
    Stattdessen ging ich zu Jamons Com-Einheit. One-World verbreitete die Nachricht, dass der Krieg vorüber war. Ich drehte das Geschnatter der Journalisten ab und richtete den letzten Rest meiner Konzentration darauf, mir Zugang zu Jamons persönlichen Dateien zu beschaffen.
    Meine linke Seite schmerzte dort, wo Jamons Schuss mich gestreift hatte; aber ich ließ mich nicht davon irritieren. Ich wollte wissen, ob Jamon die Wahrheit gesagt hatte.
    Gehörte ich tatsächlich zu Daacs genetischer Abstammungslinie?
    Der Gedanke kam mir lächerlich vor – dennoch hatte mich irgendetwas dazu getrieben, im Tert zu leben. Vielleicht war doch etwas an Daacs Gerede über familiäre Territorien dran.
     
    Eine Stunde später hatte ich zumindest Teile von dem gefunden, nach dem ich gesucht hatte. Daacs Abstammungsregister, eine genealogische Tabelle, die mindestens hundert Jahre zurückreichte. Ich durchforstete jede Seite akribisch nach meinem Namen.
    Schließlich fand ich den Eintrag: Hinter meinem Namen stand noch meine alte Adresse in Viva sowie eine kurze Vita von Rene und meinem natürlichen Vater. Auch ein Stammbaum von Renes Vorfahren war vorhanden.
    Ich war völlig überrascht.
    Rene hatte immer vorgeben, sie sei in einem Replikator gezeugt worden. Ich wusste nicht einmal, wer ihre Mutter war. Bisher hatte ich geglaubt, dass sie es auch nicht wusste, aber sie musste sie gekannt haben. Eine Welle der Wut und Frustration durchlief mich. Sie hatte all dies einfach für sich behalten.
    Ich packte das Register in eine Zip-Datei und speicherte sie auf eine Diskette. Danach durchsuchte ich Jamons Computer noch so lange nach weiteren interessanten Informationen, bis meine Augen müde und geschwollen waren. Ich fuhr den PC herunter und steckte die Diskette ein. Dann schloss ich die Tür zu Jamon und seinen polierten Mahagonitischen zum letzten Mal.
    In ein paar Stunden würden die Plünderer über die Villa herfallen. Sollten sie sie ruhig niederbrennen.
     
    Am Himmel von Torley kreisten noch immer die Raubvögel. Das Dröhnen ihrer Rotoren hallte zwischen den Häuserblocks wider. Ich fragte mich, welcher von ihnen den Verhör-Mecha an Bord trug, der auf mich angesetzt war.
    Warum waren sie mir noch nicht auf den Fersen?
    Mittlerweile war das Leben in die Straßen zurückgekehrt. Die Leute waren aus ihren Löchern gekrochen, um sich über das aktuelle Geschehen zu informieren. Aus den zahlreichen Bars drangen Gesprächsfetzen heraus.
    »Die Oya hat den Krieg beendet.«
    »Mondo ist tot.«
    »Das ist das Werk der Cabal.«
    »Ein Verräter unter den Cabal…«
    »… ich habe gesehen, wie ein Straßenkind eine Gruppe von ihnen ausgeschaltet hat. Sie glühte wie eine dieser heiligen Ikonen.«
    Erschöpft stieg ich die Treppen zu meinem Apartment hinauf. Jetzt wurde es nicht mehr von Dingomutanten bewacht. Auch die Zahlungserinnerung, die mir mein Vermieter an die Türe geheftet hatte, war von jemandem entfernt worden. Erleichtert ließ ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen und sank aufs Bett.
    Ich gönnte mir einen langen Moment des Selbstmitleids. Dann versteckte ich die Diskette und zwang mich dazu, in die San-Einheit zu steigen, bevor meine offene Wunde zu einer Bakterienfabrik werden konnte.
    Nachdem ich mich gewaschen und die Reste meiner Ersatzstoffe verzehrt hatte, begann mein Gehirn wieder zu arbeiten. Ich hatte überlebt – das überraschte mich, aber es erfüllte meinen Geist auch mit einer absoluten Klarheit. Jetzt wusste ich, was ich zu tun hatte.
    Ich wusste nur nicht, ob das, was ich mir ausgedacht hatte, auch wirklich funktionieren
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