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Papilio Mariposa

Papilio Mariposa

Titel: Papilio Mariposa
Autoren: Oswald Levett
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im Eisenbahnzuge erhielt
ich über Wien ein Telegramm Professor Möllers,
worin er mich dringend bat, neuerlich auf das Gut
Mariposas zu kommen.
    Abends langte ich dort an. Da ich ihn auf der Station
nicht antraf, ging ich ins Wirtshaus, in dasselbe,
wo ich die Erzählung vom Vampir gehört hatte.
    Es war zwar Wochentag, trotzdem fand ich hier eine
Menge Bauern beisammen. Die meisten waren bewaffnet.
Mit Äxten, Heugabeln und Jagdflinten, einige mit
Mannlichergewehren und Bajonetten, die sie noch vom
Krieg her hatten.
    Ich horchte auf ihre erregten Gespräche . . .
    »A so a Luder, a vardammt’s, es neinte Hendl scho,
das er mir o’gragelt hot.«
    »Und uns elf Gäns, acht Anten und zuletzt a jung’s
Zickerl.« Es war der Pächter Mariposas, der das sagte.
    »Du hast nix z’ reden, Ramsauer«, fuhr ihn ein anderer
an. »Hätt’st di net mit dem schiachen Juden
ei’lossen. Bist eh sei Pächter. I loß ma’s net ausredn,
daß uns der Jud des ei’brockt hot.«
    »Na, heit schiaß i eahm o’, des Mistvieh«, fiel ein anderer
ein und klopfte vergnüglich auf seine Flinte.
    »Net zsammschiaßn«, meldete sich wieder einer,
»herts, Buama, seids net narrisch, net zsammschiaßn!
Do hom ma jo nix davo. Nur grod strafn, daß er si net
riern ko’. Don fong ma’n und reissn eahm die Zähnt
aus und zeig’n eahm fürs Göd. De Stodtfräck zohlin
gern fir so wos. Oder verkaf ma’n on a Museum.«
    Nun wußte ich genug. Nein, ich werde dieses Wunderwesen
nicht niederknallen lassen oder in einen Käfig
sperren wie ein wildes Tier. Ich muß ihn warnen.
Und schlich mich unbemerkt hinaus.

    I ch eilte zu der Waldlichtung,
wo ich den Mänadentanz gesehen hatte. Schweißtriefend,
mit blutenden Händen und zerschundenem
Gesicht langte ich endlich an.
    Dunkel war’s und totenstille. Nur ab und zu ein leises
Knacken im Gehölz, ein dumpfer Vogelschrei und
das seufzende Streichen des Nachtwindes.
    Ich trat hinaus in die Lichtung mit klopfendem Herzen
und blickte mich um. Ringsum starrten mich die
dunklen Bäume an wie lauernde Riesen, bereit, im
nächsten Augenblicke vorzurücken und mich zu zermalmen.
Ich raffte mich zusammen und rief mit gepreßter
Stimme, leise, als wagte ich nicht, die schlafendeWildnis zu wecken, als fürchtete ich, ihre
Schrecknisse zu entfesseln: »Mariposa!«
    Nichts regte sich, nur das Echo tönte wider, wie Geisterruf:
»Mariposa!«
    Ich hielt inne, lauschte, wartete.
    Einen Augenblick lang fuhr mir’s spöttisch neckend
durch den Sinn: Da stehe ich, Rechtsanwalt, Disziplinarrat
und Richter des Verfassungsgerichtshofes, stehe
um Mitternacht allein im Walde, rufe einen Märchennamen
und warte, daß sich mir ein Fabelwesen zeige.
    Aber der Ernst des Augenblicks, die düster starrende
Einöde duldete kein Scherzen. Wieder rief ich »Mariposa!«,
rief es klagend, wie beschwörend: »Mariposa,
kommen Sie, Gefahr droht Ihnen. Ich will Sie warnen,
will Ihnen helfen!«
    Nun saust’s auch schon herab, mir im Rücken. Ich
spüre einen tierhaft scharfen, beizenden Geruch und
stechenden Schmerz im Nacken, wie wenn sich in mein
Fleisch Zähne, scharfe, spitze Zähne schlagen. Abwehrend
greife ich nach rückwärts, aber mächtige Schwingen
umschwirren mich, umklammern lähmend meine
Arme. Feucht rieselt’s mir im Rücken, und an meinem
Nacken saugt und schlürft und schmatzt es. Und dieser
tierisch brünstige Geruch . . . Ich kann nicht um Hilfe
rufen, denn mir versagt die Stimme vor Schreck und
Schmerz, und meine Sinne schwinden.
    Da kracht ein Schuß. Über mir ein schriller Wehlaut,
und es löst sich die Umklammerung. Aufwärts
rauscht es, fliegt davon mit schwerem, mattem Flügelschlage.

    I ch schlug die Augen auf
unter einem Lichtschein. Eine Taschenbatterie leuchtete
mir ins Gesicht. Ich lag zu Boden, vor mir kniete
der Professor und legte mir einen Verband an.
    »Gott sei Dank«, sagte er, »da bin ich wirklich gerade
zurechtgekommen. Aber wie konnten Sie nur . . .?
Nun, zu Vorwürfen ist jetzt nicht die Zeit . . .
    Im Wirtshaus habe ich erfahren, daß Sie gegen den
Wald zu gingen, allein. Nun schwante mir so etwas
Ähnliches, wie es auch wirklich eintraf. Und ich bin
Ihnen nach.
    Übrigens ist Ihre Wunde nur leicht. Adern und
Knochen sind unverletzt. Nur der Schreck hat Ihre
Ohnmacht verursacht.«
    Ich konnte kaum ein Wort erwidern, so sehr war ich
verstört. Es war nicht Angst noch Schmerz, es war ratloses
Entsetzen.
    Das also war die Antwort Mariposas auf meine wohlmeinende
Hilfe? Hatte er mich
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