Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Papa

Papa

Titel: Papa
Autoren: Sven I. Hüsken
Vom Netzwerk:
glaubt, er sei der Weihnachtsmann, und bildet sich die Elfen gleich mit ein?«
    »So ungefähr. Seien Sie vorsichtig und auf alles gefasst.«
    Robert dachte an Maiks Leiche. Licht und Schatten. Zwei Seelen, die miteinander kämpften. Welche von beiden würde gewinnen? »Tun Sie mir einen Gefallen, Gäter, und bleiben Sie bei ihr? Die Polizei wird ihre Aussage brauchen.«
    »Mache ich. Ich habe Zellinger schon Bescheid gegeben. Er war nicht erfreut, schickt aber Verstärkung. Wenn Sebastian Graf und Ried gemeinsame Sache gemacht haben, sind sie wie Nitroglycerin auf einer Buckelpiste. Seien Sie also vorsichtig, und viel Glück.«
    »Danke.« Er legte auf, steckte das Handy weg und wandte sich an Martin Gröne, der beschlossen hatte zu schweigen, nachdem er einsehen musste, dass lautes Schimpfen nichts half. Robert fuhr weder langsamer noch in eine andere Richtung. »Du solltest mit deinen Leuten sprechen. Wir wissen nicht, was uns erwartet, und ich will Lillys Leben nicht gefährden. Falls es noch eine Bedeutung hat.«
    Gröne nickte nur und telefonierte anschließend. Offenbar war es für ihn nicht angenehm, Mittel zum Zweck gewesen zu sein. Schreyer hatte dafür gesorgt, dass Robert ab- und er dafür angesetzt wurde. Nur, damit Lilly nicht gefunden wurde und um die Ermittlung scheitern zu lassen. So was musste verdammt weh tun, wenn man schon gehofft hatte, auf der Karriereleiter ganz nach oben zu klettern.
    Doch das war Robert egal. Er trat auf das Gaspedal, und das Auto machte einen Satz nach vorn. Direkt auf die Scheinwerfer zu, die ihnen entgegenkamen.

[home]
    Kapitel 47
    In einem Loch im Boden, da lebte ein Mädchen.
    In einem Loch im Boden, da lebte ein Mädchen.
    Es war merkwürdig, wie sich die letzten Gedanken, die man hatte, auf einen kleinen Satz beschränkten. Ein Gebet, zusammengestückelt aus Erinnerungen. Lilly kannte diesen Satz. Zumindest einen ähnlichen, aber ihr fiel nicht mehr ein, woher.
    Das war auch unwichtig. Wichtig war nur, dass er stimmte. Sie
lebte
. Das allein zählte.
    Es war dunkel.
    So lange schon.
    Dunkel, nass, still. Ihre Jeans hatte sich mit Wasser vollgesogen, genau wie die Decke, die sie um sich geschlungen hatte. Lilly fror schrecklich. Oder sie hatte mal gefroren, denn vielleicht war es nur eine Erinnerung. Hier im Loch war die Welt anders als dort oben. Hier stand die Zeit still. Gefühle konnten intensiver sein als irgendwo anders, aber gleichzeitig auch völlig unbedeutend.
    Nur eine Sache fühlte sie deutlich: den Durst. Zuerst hatte sie gehofft, aus der Decke oder ihrer Jeans etwas Wasser wringen zu können, doch der Stoff war grausam und gab keinen Tropfen her.
    Regen trommelte auf die Erde über ihr, und sie hoffte, etwas würde zu ihr durchsickern. Zumindest so viel, bis die Decke genug getrunken hatte und etwas für sie übrig blieb. Nur ein wenig. Ein Tropfen vielleicht.
    Was war das für eine Welt, in der man gegen eine blöde Wolldecke verlor?
    Ihre Beine schmerzten. Jede Bewegung tat weh. Wie es wohl war, zu sterben? Immer wieder formten Lillys Lippen das Wort, das ihr Hoffnung gab.
    Papa.
    Doch sie war zu schwach, um es auszusprechen. Ihr Mund war ausgetrocknet, und die Zunge klebte am Gaumen wie ein alter Putzlappen. Der Geschmack von Erde füllte ihren Rachen. Langsam und unaufhörlich verschmolz sie mit dem Loch, in dem sie gefangen war.
    Doch ihr Papa würde sie retten.
    Lillys Kopf war schwer und ließ sich nicht mehr bewegen. Auch ihre Lider taten nur noch das Nötigste. Doch zu sehen gab es eh nichts.
    Als der fremde Mann sie hier hineingestoßen hatte, konnte sie das Fenster mit dem Loch im Glas sehen, das als Einstiegsluke diente, und die Plane, mit der er den unterirdischen Holzverschlag ausgekleidet hatte. Dicke Folie, die man mit den Fingern nicht einfach auseinanderreißen konnte. Sie hatte es probiert.
    Zum Glück war sie nicht so dicht, wie sie wirkte. Lilly bekam genügend Luft, um nicht zu ersticken. Und immer wieder rieselte Erde durch die Nähte, die wohl nur grob verklebt waren.
    Der Verschlag war tief. So tief, dass sie nicht an die Luke herankam. Und irgendwann hatte sie es auch nicht mehr versucht. Der Schwindel, der ihr die Sinne nahm, zwang Lilly, sich zusammenzukauern. So lag sie da und wartete.
    Ihr Brustkorb hob und senkte sich zitternd. Unregelmäßig. Die Hände waren zu Fäusten geballt. Nein, sie würde nicht aufgeben.
    Papa.
    Papa.
    Ihre Welt hatte sich in Schmerzen verwandelt und fraß sie bei lebendigem Leib. Doch noch war es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher