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Pamuk, Orhan

Pamuk, Orhan

Titel: Pamuk, Orhan
Autoren: Rot ist mein Name
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eigentliche
Bedeutung dieser Feindschaft gegen die Hunde? Warum behauptet ihr, der Hund sei
unrein, und wenn ein Hund euer Haus betritt, warum wischt ihr dann alles von
oben bis unten dreimal hintereinander mit reinem Wasser? Warum wird jemand nach
seiner Waschung vor dem Gebet durch unsere Berührung wieder unrein, und warum
gibt es die Vorschrift, euren Kaftan wie kopflos grillenhaftes Weibervolk
siebenmal zu waschen, wenn die feuchten Haare eines Hundes am Saum jenes
Kaftans eben einmal entlangstreichen? Und die Lüge, daß ein Topf, den ein Hund
ausgeleckt hat, entweder fortgeworfen oder von neuem verzinnt werden muß, kann
nur von den Verzinnern herumerzählt werden. Oder vielleicht von den Katzen.
    Als man Dorf und Land und das
Nomadenleben aufgab und sich in der Stadt niederließ, blieben die Hirtenhunde
im Dorf zurück, und da sind wir Hunde unrein geworden. In der Zeit vor dem
Islam war einer der zwölf Monate der des Hundes. Jetzt aber gilt der Hund als
unheilbringend. Ich will euch, meine Freunde, die ihr an diesem Abend ein wenig
Geschichten hören, ein wenig belehrt werden möchtet, nicht mit meinen Sorgen
bekümmern; was mich erzürnt, ist das Räsonieren des Herrn Predigers, der
unsere Kaffeehäuser schlechtmacht.
    Was käme dabei heraus, wenn ich
sage, niemand weiß, wer wohl der Vater von diesem Husret aus Erzurum ist? Man
fragt ja auch, was für ein Hund bist du? Weil dein Meister ein meddah ist,
der dein Bild in einem Kaffeehaus aufgehängt hat und Geschichten erzählt,
willst du ihn schützen und machst den Herrn Prediger schlecht, pfui! Aber
keineswegs, ich mache niemanden schlecht. Ich liebe unsere Kaffeehäuser sehr,
und ihr sollt wissen, es kümmert mich auch wenig, daß mein Bild auf so billiges
Papier aufgemalt wurde oder daß ich ein Hund bin, doch ich beklage mich
darüber, nicht wie ein ordentlicher Mensch mit euch zusammensitzen und Kaffee
trinken zu können. Unsereins gibt sein Leben für unseren Kaffee und für unsere
Kaffeehäuser – nanu, was ist das? Seht mal her, mein Meister gießt mir Kaffee
aus einem Töpfchen ein. Sagt nicht, wie kann ein Bild denn Kaffee trinken? Seht
nur, seht, wie der Hund den Kaffee hinunterschlabbert!
    Oh, meine Güte, hat mir das
gutgetan, mir ist warm geworden, mein Blick ist klar, mein Verstand geschärft,
und hört mal, was mir eingefallen ist: Wißt ihr eigentlich, was der Doge von
Venedig der Tochter Seiner Majestät, unseres Padischahs, der Nurhayat Sultan,
außer vielen Ballen chinesischer Seide und blaugeblümten chinesischen
Tonschüsseln als Geschenk übersandt hat? Einen reizenden abendländischen Hund
mit seidigem Fell, weicher als ein Zobel. Dieser Hund ist so zart und
empfindlich, daß er ein Kleid aus roter Seide trägt. Einer unserer Freunde
hat's ihm besorgt, daher weiß ich, daß dieser Hund sogar den Beischlaf nicht
ohne sein Kleidchen ausüben kann. In diesem Land der Franken tragen ohnehin
alle Hunde Kleider. Wenn dort eine dieser so überaus vornehmen fränkischen
Frauen einen nackten Hund oder etwa, ich weiß nicht, sein Ding zu sehen
bekommt, dann soll sie mit dem Ausruf: »Ooh, das Tier ist ja nackt!« in
Ohnmacht sinken, wie man sich erzählt.
    Außerdem soll jeder Hund in dem
fremden Land der Ungläubigen einen Besitzer haben. Mit einer Kette um den Hals
werden sie wie die elendesten Sklaven gefesselt und jeder für sich durch die
Straßen geschleppt und spazierengeführt. Dann holen diese Leute die armen Hunde
gewaltsam ins Haus, ja, nehmen sie sogar mit ins Bett. Einmal abgesehen davon,
daß kein Hund den anderen beschnüffeln und mit ihm Liebe treiben darf, läßt
man sie nicht einmal zu zweit herumlaufen. Wenn sie sich so elend und
gefesselt auf der Straße begegnen, können sie einander nur von weitem gramerfüllte
Blicke zuwerfen, mehr nicht. Daß wir Hunde in den Straßen von Istanbul als
Meute und gemeinsam frei herumstreichen, keinen Herrn und Besitzer anerkennen
und, falls nötig, irgendwem den Weg abschneiden, uns in einer warmen Ecke
zusammenrollen, wo's uns paßt, uns im Schatten einem sanften Schlummer überlassen,
daß wir hinscheißen, wo wir wollen, und beißen, wen wir beißen wollen – das
sind Dinge, die den Ungläubigen nicht in den Kopf gehen. Ich habe schon
gedacht, ob die Bewunderer des Erzurumers womöglich aus diesem Grund dagegen
sind, daß man als Almosen und mit Gebeten den Hunden auf den Straßen von
Istanbul Fleisch zuwirft und dafür auch Stiftungen gründet. Falls es in deren
Absicht liegt,
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