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Paloma

Paloma

Titel: Paloma
Autoren: Alexandra Dannenmann
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abgebrannt. Und so musste Philipp sein Vorhaben erst einmal aufschieben. Eine Zigarette nach der anderen rauchend, ging er ungeduldig auf der Veranda auf und ab und wartete auf die Rückkehr der Frauen. Was ziemlich lange dauerte, da Bobby eine Bekannte vom letzten Sommer getroffen hatte und Karen in einer Boutique Bermudas kaufen wollte. Im Übrigen hatte sie kein Wort darüber verloren, dass Philipp die Nacht draußen im Liegestuhl verbracht hatte. Was sie sich aber vermutlich nur wegen Bobby und der Kinder verkniffen hatte.
    Nachdem Philipp mitgeholfen hatte, Lebensmittel und Getränkekisten ins Haus zu schaffen, nahm er die Autoschlüssel an sich und gab vor, dringend telefonieren zu müssen. Was sogar mehr oder weniger stimmte, da er sich bisher noch kein einziges Mal mit seiner Agentur in Verbindung gesetzt hatte. Was jedoch keinesfalls eilte, da man ihn im Falle eines dringenden Problems telegrafisch verständigen würde.
    Als er aufbrach, zog Karen gerade im Schlafzimmer die neuen Bermudas an und so rief Philipp ihr nur von der Veranda aus ein „dann bis nachher“ zu und machte, dass er wegkam. Ohnehin war er reichlich nervös. Woran sich auch nichts änderte, als er versuchte, das Ganze so rational wie möglich anzugehen, um übersteigerte Hoffnungen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Paloma musste jetzt etwa Mitte zwanzig sein und also war wohl davon auszugehen, dass sie in der Zwischenzeit einen Lebensgefährten gefunden hatte. Er wollte Paloma einfach nur wiedersehen und sich davon überzeugen, dass es ihr gut ging und das hatte ihm zu genügen.
    Als Philipp hinter San Lorenzo in Richtung Porto Saler abbog, spürte er plötzlich eine geradezu fatalistische Ruhe über sich kommen. Er blickte auf die Felder mit Mandel- und Feigenbäumen, auf die gelbe, ausgedörrte Erde, die Natursteinmauern rechts und links vom Weg, die allmählich zerfielen.
    Niemand begegnete ihm, kein Auto oder Fahrrad oder sonst irgendetwas. Es war so ruhig hier draußen wie damals, als er mit seiner Mobylette zum ersten Mal auf den Hof gekommen war. Schließlich konnte er Palomas Haus sehen, das sich hinter den Orangenbaum zu ducken schien. Das Tor in der Mauer stand offen und obwohl er nur langsam fuhr, zog er eine Staubwolke hinter sich her. Ganz wie früher. Und auch die Fensterläden und das niedrige Gartentor zur Veranda waren im gleichen Blau wie früher und hinter dem Haus scharrten noch immer Palomas Hühner. Es war fast gespenstisch, so als ob hier die Zeit stehen geblieben sei. Dabei fiel ihm ein, was Miguel erzählt hatte. Dass Paloma jetzt Gemüse an die Hotels lieferte. Hier, auf dem Hof, deutete jedoch nichts darauf hin.
    Als Philipp sein Auto abstellte, sah er eine alte Mobylette neben dem Haus stehen. Er stieg aus und ging auf das Haus zu, dabei laut: „Hola!“ rufend.
    Einmal und noch einmal und dann sah er eine junge Frau aus dem Haus treten. Fast ein junges Mädchen noch, in engen Jeans und weißem T-Shirt. Dunkel gebräunt und mit fast blauschwarzem Haar.
    „Qué quieres?“, rief das Mädchen ihm zu.
    „Ich wollte zu Paloma. Können Sie mir sagen ...“
    Das Mädchen unterbrach ihn. „Paloma ist in Lorenzo. Blanca abholen von der Zwergenschule.“
    Philipp verstand kein Wort. Zwergenschule? Soweit er sich erinnerte, wurden Kindergärten hier so genannt. Ihrer Sprache nach musste das Mädchen vom Festland sein, vielleicht aus Andalusien oder Valencia.
    „Dann wird sie also bald zurück sein?“
    „Sag ich doch. Sie ist in Lorenzo.“
    „Gut, dann warte ich solange.“
    „Si, claro.“
    Philipp holte seine Zigaretten heraus, bot auch dem Mädchen eine an, aber sie schüttelte den Kopf und kehrte ins Haus zurück. Der Ostwind, den sie gestern gehabt hatten, blies noch immer. Philipp musste eine Hand vor die Flamme seines Feuerzeugs halten. Er sah, dass seine Hand zitterte.
    Als seine Zigarette brannte, drehte er dem Haus den Rücken zu und schlenderte über den Hof. Dort hinten war der Corral, in dem Paloma und Salvador früher Schweine gehalten hatten. Er war jetzt leer, aber in einer Ecke stand noch ein blecherner Trinknapf. Und dort im Anbau hatten sie die Saatkartoffeln aufbewahrt, die er mit Salvador zusammen gesteckt hatte. Er dachte an Salvador, der einen so frühen Tod gefunden hatte und an Paloma, die mittlerweile, ebenso so wie er, einen weiten Weg zurückgelegt hatte.
    Ein Motorengeräusch riss Philipp aus seinen Erinnerungen. Ein kleiner weißer Seat näherte sich dem Tor. Philipp beschloss,
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