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Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Titel: Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut
Autoren: Eva Almstädt
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das Wasser kalt seine Brust hinunterlaufen fühlte, ließ er sich widerstrebend von der Bühne geleiten.

5. Kapitel
    D ie Lichter des Kargauer »Dorfkruges« leuchteten einladend. Sven Waskamp bremste abrupt und bog dann kurz entschlossen auf den Parkplatz ab. Warum nicht auf ein Bier einkehren, einfach um auf andere Gedanken zu kommen?, sagte er sich.
    Es waren kaum Gäste da. Nur an einem der hinteren Tische saß ein ihm nicht bekanntes Paar bei einer Flasche Wein und wartete auf das Abendessen.
    »Ein großes Pils bitte, Werner«, orderte Waskamp und nahm einen Barhocker am Tresen in Beschlag. Sein Blick glitt durch den Raum: dunkles Eichenholz und rustikale Lampen, die schummriges Licht verbreiteten. Nicht schick, nicht einmal schön, aber beruhigend vertraut.
    Nach ein paar Minuten stellte ihm der Wirt kommentarlos das Bier auf den Tresen. Heute kein lockerer Spruch dazu? Auch gut. Wahrscheinlich sah man ihm an, dass er in Ruhe gelassen werden wollte. Es gab genügend Leute, die feixen würden, wenn sie von seinem Reinfall hörten. Seine Parteifreunde? Freunde, die schnell zu Konkurrenten wurden, wenn einer wie er, sechsunddreißig Jahre alt, Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtages, auf dem besten Weg in den Bundestag war. Vielleicht war der neueste Klatsch über die geplatzte Veranstaltung längst hier angekommen? Er hatte nach seinem wenig glamourösen Abgang noch ein paar Gespräche und Telefonate führen müssen, bis er sich endlich hatte loseisen können.
    Ich könnte jetzt gut ein wenig Ablenkung vertragen, dachte er und hob sein Glas. Warum hatte sich Katja eigentlich noch nicht bei ihm gemeldet? Niemand verstand ihn so gut, wie sie es tat. Sie duldete kein Selbstmitleid und konnte mit ihren scharfen Bemerkungen von einer Sekunde zur anderen die Dinge ins richtige Licht rücken.
    Seine Überlegungen wurden unterbrochen, als eine ihm vertraute Gestalt den »Krug« betrat. Waskamp straffte die Schultern – es war Martin Gregorian, sein Onkel. Ausgerechnet jetzt. Er fühlte sich von seiner Niederlage noch bis ins Mark getroffen und wollte nicht, dass Martin das mitbekam.
    »Hey, Sven! Was hört man über dich?«, sagte Gregorian prompt und klopfte ihm auf den Rücken. Es hatte sich natürlich schon bis nach Kargau herumgesprochen.
    »Grüß dich, Martin! Falls du auf meine Veranstaltung heute Abend anspielst – ich will nicht darüber reden.«
    »Ach was. Rückschläge gehören dazu. Man darf sich nur nicht unterkriegen lassen.« Gregorians Augen blitzten. Er wirkte agiler und selbstbewusster denn je. Wie jemand, der von einer Welle des Erfolges getragen wird.
    »Bist du schon mal mit faulen Eiern beworfen worden?«, fragte Waskamp grollend.
    Gregorian lachte. »Vielleicht mit Schlimmerem … Du kennst ja meinen Beruf.«
    Gas-Wasser-Scheiße sei sein Metier, hatte sein Onkel immer gesagt, wenn die Sprache auf seinen Betrieb gekommen war. Ich sollte vielleicht auch versuchen, das Leben mit mehr Humor zu nehmen, dachte Sven Waskamp. Schwäche in Stärke umwandeln. »Willst du dich zu mir setzen?«, fragte er. Seine Laune hatte sich durch die Gesellschaft des Onkels wider Erwarten um ein paar Grad gehoben. »Ich gebe dir ein Bier aus.«
    Gregorian nickte, und Waskamp machte dem Wirt ein Zeichen, noch ein Pils zu zapfen. Sein Onkel nahm geschmeidig neben ihm auf einem Barhocker Platz. Er war Mitte sechzig, stattlich, mit dichtem, mittlerweile weißem Haar, und seit er im Ruhestand war, war seine Haut immer sonnengebräunt. Neuerdings spielte er Golf. So sehr Waskamp ihn schätzte, er war sich in Martins Gegenwart stets bewusst, wie viel er ihm verdankte, und das machte das Zusammensein anstrengend.
    Martin Gregorian und seine Frau Eveline waren lange Zeit Elternersatz für ihn gewesen. Svens Eltern waren beruflich ständig auf Achse gewesen, sodass seine Schwester Julia und er die meiste Zeit bei den Gregorians zugebracht hatten. Sein Onkel und seine Tante lebten im selben Ort und hatten selbst nie Kinder bekommen. Sie hatten ihre Nichte und ihren Neffen zeitweise sogar bei sich wohnen lassen, bis sie auf eigenen Füßen standen. Als Sven Waskamp klein gewesen war, hatte er »Onkel Martin« gesagt und sich später, als sie einander auf Augenhöhe gegenüberstanden, die Anrede »Onkel« mühsam wieder abgewöhnen müssen.
    »Aber von heute Abend mal abgesehen«, Gregorians Zähne blitzten, »läuft alles rund, oder?«
    »Ich kann nicht klagen. Mit etwas Glück werde ich Mitglied des deutschen
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