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Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Titel: Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut
Autoren: Eva Almstädt
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Wahrscheinlich würde sie ihn nie trinken. »Auf Timo«, sagte sie und hob ihr Glas. »Er war der beste Ehemann, den eine Frau sich wünschen kann.«
    »Ach, Katja!« Solveigh nippte unter Tränen.
    »Wir finden eine Lösung für dich, Solveigh«, sagte sie milde. Der Whisky mit seinem honigsüßen Aroma wärmte ihr den Magen. »Heute Nacht bleibst du erst einmal hier. Ich habe Platz genug – auch für länger … Und dann sehen wir weiter.«
    »Kann ich Rainer kurz anrufen und ihm Bescheid sagen, dass ich …«
    »Untersteh dich!«
    Nachdem Katja das Gästesofa ausgezogen und frisch bezogen und eine neue Zahnbürste und Handtücher bereitgelegt hatte, fand sie Solveigh im Wohnzimmer am Fenster stehend vor. »Solveigh, eines wollte ich dich noch fragen.«
    »Ja?«
    »Bevor du vorhin an die Tür geklopft hast, warst du da im Garten und hast zu mir hereingesehen?«
    Solveigh schüttelte erstaunt den Kopf.
    Sven Waskamp konnte die Menschenmenge im Saal hören. Ein Raunen und Rufen, es erinnerte ihn an die Laute eines erwartungsvollen, kaum zu bändigenden Tieres. Spannung lag in der Luft – und in jedem Muskel seines Körpers. Es hatten sich bestimmt zweihundert Menschen im Mehrzweckhaus der Gemeinde eingefunden, um seine Rede über das Thema »Bildungspolitik« zu hören und bei der anschließenden Diskussionsrunde dabei zu sein. Hoffentlich war genügend Presse da – die richtigen Zeitungen. Er brauchte noch gute PR, nicht auszudenken, wenn er heute die Rede seines Lebens hielt, vor einem begeisterten Publikum, und niemand war da, um das Ereignis festzuhalten!
    Nun gut, es war gewissermaßen ein Heimspiel für ihn. Man kannte ihn, er war im Nachbarort zu Hause. Und doch … Diese Veranstaltung war wichtig für seine weitere Laufbahn als Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtags und zukünftigem Bundestagskandidaten. Er murmelte noch einmal sein Mantra: »Ich bin der Beste und schaffe alles, was ich will!«, und ballte seine rechte Hand zu einer Faust. Dann nickte er dem Gemeindevorsteher des Ortes, der das alles organisiert hatte, kurz zu und stieß die Tür zum Saal auf.
    Über drei wackelige Stufen erreichte er die improvisierte Bühne mit dem Rednerpult. Die Scheinwerfer, die ihn blendeten, die erwartungsvoll verstummende Menge, das Knacken in den Boxen, wenn er ins Mikrofon sprach, und seine eigene sonore Stimme, die verstärkt durch den ganzen Saal hallte – das war es, wofür er lebte. Die Aufregung vorweg, die Konzentration auf die Aufgabe und die Befriedigung, alles einzusetzen, seine Persönlichkeit, seine Kraft, seinen Fleiß, seine Intelligenz, um Einfluss auf die politischen Entscheidungen in seiner Region, seines Landes zu nehmen. Er wollte den Menschen hier GUTES tun – und damit tat es auch ihm selbst gut.
    »Verehrtes Publikum … hallo, Leute! Es ist schön, hier bei euch zu sein!« Verhaltener Beifall, aufflammende Blitzlichter. Er ließ den Blick über die Menschenmenge wandern und war zufrieden, dass wirklich so viele an einem Sonntagabend hierhergekommen waren, um ihn zu hören. Er spürte die in ihn gesetzte Erwartung fast körperlich, und das Gefühl wirkte wie ein Aufputschmittel.
    Einer seiner Parteifreunde hatte ihn eben noch vor einer Gruppe aufrührerisch aussehender Leute links vom Rednerpult gewarnt. Sven Waskamp ärgerte sich, dass solchen Leuten nicht der Eintritt verwehrt wurde, aber solange sie sich ruhig verhielten, war man machtlos. Er hoffte, dass alles gut ging. Ein paar kräftige Männer von der Freiwilligen Feuerwehr waren auch da. Im Zweifelsfall sollten die Leute, die sich nicht benehmen konnten, umgehend aus dem Saal geschafft werden können. Kein Grund zur Sorge also. Er musste sich auf das Wesentliche konzentrieren.
    Sven Waskamp konnte die Gesichter der Menschen, die dicht vor ihm an der Bühne standen, gerade noch schemenhaft erkennen. Meistens suchte er sich bei einer Rede ein oder zwei aus, die er immer wieder ansah. Er probierte seine Wirkung gern an weniger erwartungsvollen, eher abwartenden Zuhörern aus, im Schnitt waren es ältere Leute … die nicht so leicht mitzureißen waren. Wenn er die hatte, dann hatte er sie alle.
    Sven Waskamp warf einen Blick auf seine Notizen. Er hatte die Rede in groben Zügen geplant, nun galt es, den Stichworten Leben einzuhauchen. Ihm lag das Improvisieren. Meistens flossen die Worte nur so aus ihm heraus. Schade nur, dass Katja noch nicht hier war, um ihn so zu erleben!
    »Als ich vorhin herfuhr, da sah ich Jugendliche,
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