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OstfriesenKiller

OstfriesenKiller

Titel: OstfriesenKiller
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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bewegte sich rhythmisch hin und her.
    Ludwig zog es vor, nicht zu klingeln, stattdessen sprang er über den Zaun und lief ums Haus.
    »Sylvie?!«
    »Ja, ich bin hier, Liebster.«
    Er hörte die Stimme, aber er sah Sylvia nicht.
    Die große Hollywoodschaukel wippte. Sylvia saß darin wie ein kleines Kind, eingemummelt in mehrere Wolldecken, obwohl die Terrasse von zwei Außenstrahlern beheizt wurde. Sie hielt den Kater Willi auf dem Schoß und kraulte sein Fell.
    Erleichtert, dass er sie gefunden hatte, ging Ludwig auf Sylvia zu. Sie sah seinen Blick und zog sich weiter unter die Decke zurück.
    Ludwig schluckte: »Sylvia«, sagte er ernst, »hast du Ulf umgebracht? Kai und Paul … und Josef …?«
    Sie sah ihn mit ihren großen unschuldigen Augen an und streichelte Willi. Dann nickte sie vorsichtig. »Ja, Liebster. Ich hab es für uns erledigt. Du musst dir keine Sorgen machen. Selbst, wenn es rauskommt …«, sie lachte, »ich hab doch einen Jagdschein, mir kann nichts passieren. Ich bin ja behindert.«
    Ludwig taumelte. Er hatte es geahnt, doch jetzt, mit der Wahrheit konfrontiert, hielt er es kaum aus. Er setzte sich auf den Boden. Sylvia wippte weiter in ihrer Hollywoodschaukel. Sie schob die Füße unter der Wolldecke hervor und bremste mit den Zehen. Dann setzte sie sorgfältig die Katze auf dem Boden ab und breitete die Arme aus.
    »Was ist mit dir, Liebster? Willst du unter die Decke?«
    Das Gaslicht der Strahler ließ Ludwigs Gesicht aschfahl, fast bläulich, erscheinen: »Ich glaub, mir wird schlecht.«
    Sylvia wickelte sich ganz aus den Wolldecken aus. »Soll ich dir ein Glas Wasser holen?«
    Ludwig schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Schon gut.«
    Jetzt sprang sie von der Schaukel und ging ins Haus. »Ich hol dir was. Machs dir bequem.«
    Sie war noch nicht ganz im Haus verschwunden, da raffte Ludwig sich wieder auf, denn ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Was, wenn sie jetzt da drinnen ihr Gewehr holte oder ihren Bogen oder ein Schwert? Sollte er das nächste Opfer sein? Brachte sie jetzt alles zu einem krönenden Abschluss? Das durfte doch nicht wahr sein!
    Er wäre vielleicht besser weggelaufen, doch es schien ihm sicherer, ihr ins Haus zu folgen. Solange er im Kontakt mit ihr blieb, konnte ihm nichts passieren, glaubte er. Er hatte es von Ulf Speicher gelernt: Selbst bei den schlimmsten, gewalttätigsten Menschen hatte Ulf die Ruhe bewahrt.
    »Schau ihnen in die Augen. Sprich sie an. Nenn sie beim Namen. Sag ihnen, wie du heißt. Bau eine Beziehung auf. Irgendeinen Typen umzuklatschen, da ist nichts dabei. Aber den Ulf, der mich bei meinem Namen nennt, der ist eine Person. Dem was zu tun fällt viel schwerer. Die Beziehungen sind entmenschlicht, entpersonalisiert. Wir müssen sie wieder menschlich machen. Den Kontakt von Person zu Person herstellen. Nicht von Amt zu Klient, von den Verwaltern zu den Verwalteten.«
    Ludwig hatte diese Worte so oft gehört. Es waren Standardsätze von Ulf. Jeder Mitarbeiter, jeder Zivildienstleistende, konnte sie auswendig. Am Ende hatte es ihm wenig genutzt.
    Trotzdem glaubte Ludwig noch immer daran. Diese Worte waren stark genug, um ihn dazu zu bringen, Sylvia ins Haus zu folgen.
    Er sah den gedeckten Tisch. Die Kerzen. Den Tee auf dem Stövchen. Den Sekt im Kübel. Den Rotwein auf dem Beistelltischchen. Sektgläser, Weingläser, Wassergläser, Teetassen. Drei Teller auf jedem Platz. Sylvia hatte ein festliches Mahl für zwei Personen gedeckt. Ein Candle-Light-Dinner.
    Jetzt kam sie mit einem Glas Wasser aus der Küche. Ludwig zeigte auf den festlichen Tisch: »Hast du das für mich gemacht? Wusstest du, dass ich komme?«
    Sie reichte ihm das Glas Wasser und nickte. »Ja sicher. Wir haben doch etwas zu feiern, Liebster. Der Auftrag ist wirklich so gut wie erledigt. Sag mir – war ich nicht gut?«
    Ludwig nahm das Wasserglas, trank aber nicht. Er hätte sich das jetzt nicht getraut. Vielleicht hatte diese verrückte Schlange das Wasser vergiftet.
    »Es gab nie einen Auftrag, Sylvie«, sagte er mit trockenem Hals.
    Sie lachte. »Warum sagst du so etwas, Liebster?«
    Er sah sich um. Vielleicht würde er gleich eine Waffe brauchen. Es lag schweres Silberbesteck auf dem Tisch. Besser so ein Messer in der Hand, als wehrlos zu sein. Hatte sie da etwas hinter dem Rücken?
    »Ich sag es, weil es die Wahrheit ist.«
    Er ging rückwärts. Sie folgte ihm langsam. Er wusste, wie schnell sie war. Sie war gefördert worden wie kaum eine andere Jugendliche in Ostfriesland.
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