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orwell,_george_-_tage_in_burma

Titel: orwell,_george_-_tage_in_burma
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Sir.«
    »Wir riskieren nichts, aber wir müssen langsam vorgehen. Wir haben es hier nicht mit einem jämmerlichen Angestellten oder Polizisten zu tun. Wir haben es mit einem hohen Beamten zu tun, und ein hoher Beamter, auch ein Inder, ist etwas anderes als ein Angestellter. Wie ruiniert man einen Angestellten? Ganz leicht; eine Anklage, zwei Dutzend Zeugen, Entlassung und Gefängnis. Aber das genügt hier nicht. Sachte, sachte, ganz sachte werde ich vorgehen. Kein Skandal und vor allem keine offizielle Ermittlung. Keine Beschuldigungen, auf die man etwas erwidern kann, und doch muß ich es binnen drei Monaten jedem Europäer in Kyauktada einhämmern, daß der Doktor ein Schurke ist. Womit soll ich ihn beschuldigen? Bestechung geht nicht, ein Arzt bekommt keine nennenswerten Bestechungsgelder. Was dann?«
    »Wir könnten vielleicht eine Meuterei im Gefängnis einrichten«, sagte Ba Sein. »Man würde dem Doktor die Schuld geben, er ist ja der Direktor.«
    »Nein, das ist zu gefährlich. Ich will nicht, daß die Gefängniswärter nach allen Richtungen um sich schießen. Außerdem wäre es kostspielig. Es muß also Illoyalität sein, das ist klar - Nationalismus, Aufhetzung zum Aufruhr. Wir müssen den Europäern einreden, daß der Doktor illoyale, antibritische Ansichten hat. Das ist viel schlimmer als Bestechung; von einem eingeborenen Beamten erwarten sie sowieso, daß er bestechlich ist. Aber wenn sie auch nur einen Augenblick an seiner Loyalität zweifeln, ist er erledigt.«
    »Es wäre schwer zu beweisen«, wandte Ba Sein ein. »Der Doktor ist den Europäern gegenüber sehr loyal. Er wird böse, wenn jemand etwas gegen sie sagt. Und sie wissen es, glauben Sie nicht?«
    »Unsinn, Unsinn«, sagte U Po Kyin behaglich. »Kein Europäer schert sich um Beweise. Bei einem Mann mit schwarzem Gesicht ist im Verdacht schon Beweis. Ein paar anonyme Briefe wirken Wunder. Es ist nur eine Frage der Ausdauer; anklagen, anklagen, immer wieder anklagen - so muß man mit den Europäern umgehen. Ein anonymer Brief nach dem anderen, abwechselnd an alle Europäer. Und dann, wenn ihr Mißtrauen gründlich geweckt ist - « U Po Kyin zog den einen kurzen Arm hinter dem Rücken hervor und schnipste mit Daumen und Finger. »Wir beginnen mit diesem Artikel im Burma-Patriot«, setzte er hinzu. »Die Europäer werden vor Wut schäumen, wenn sie ihn sehen. Der nächste Schritt ist, ihnen einzureden, daß der Doktor ihn geschrieben hat.«
    »Es wird schwierig sein, dieweil er unter den Europäern Freunde hat. Sie alle gehen zu ihm, wenn sie krank sind. Er hat Mr. Macgregor von seinen Blähungen geheilt bei diesem kalten Wetter. Sie betrachten ihn als einen sehr klugen Doktor, glaube ich.«
    »Wie wenig du die Europäer verstehst, Ko Ba Sein! Die Europäer gehen nur zu Veraswami, weil es in Kyauktada keinen anderen Arzt gibt. Kein Europäer vertraut einem Mann mit schwarzem Gesicht. Nein, bei den anonymen Briefen kommt es nur drauf an, daß man genug schickt. Ich werde bald dafür sorgen, daß er keine Freunde mehr hat.«
    »Da ist Mr. Flory, der Holzhändler«, sagte Ba Sein. (Er sprach es ›Mr. Porley‹ aus.) »Er ist ein guter Freund von dem Doktor. Ich sehe ihn jeden Morgen zu ihm gehen, wenn er in Kyauktada ist. Zweimal hat er den Doktor sogar zum Essen eingeladen.«
    »Ah, da hast du recht. Wenn Flory ein Freund von dem Doktor wäre, das könnte uns schaden. Man kann einen Inder nicht verletzen, wenn er einen europäischen Freund hat. Das gibt ihm - wie heißt das Wort, das sie so gern haben? - Prestige. Aber Flory wird seinen Freund sehr schnell fallenlassen, wenn die Schererei anfängt. Diese Leute haben kein Gefühl der Treue zu einem Eingeborenen. Übrigens weiß ich zufällig, daß Flory ein Feigling ist. Mit dem werde ich fertig. Deine Rolle ist, Mr. Macgregor zu beobachten, Ko Ba Sein. Hat er in letzter Zeit an den Kommissar geschrieben - vertraulich, meine ich?«
    »Er hat vor zwei Tagen geschrieben, aber als wir den Brief über Dampf geöffnet haben, fanden wir, daß es nichts von Bedeutung war.«
    »Nun gut, wir werden ihm was zu schreiben geben! Und sobald er den Doktor verdächtigt, dann ist es Zeit für diese andere Angelegenheit, von der ich zu dir gesprochen habe. So werden wir - was pflegt Mr. Macgregor zu sagen? Ach ja, ›zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen‹. Einen ganzen Schwarm von Fliegen - haha!«
    U Po Kyins Lachen war ein ekelhaftes Blubbern tief in seinem Bauch wie die Vorbereitung eines Hustenanfalls;
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