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orwell,_george_-_tage_in_burma

Titel: orwell,_george_-_tage_in_burma
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Versuche, ihn zu entlarven, schlugen ausnahmslos fehl; seine Helfershelfer, die ihm wegen ihres Anteils an der Beute die Treue hielten, waren zu zahlreich. Wenn eine Anklage gegen U Po Kyin vorgebracht wurde, ließ er sie einfach von einer Anzahl hergerichteter Zeugen entkräften und antwortete mit Gegenklagen, die seine Position nur noch stärkten. Er war so gut wie unangreifbar, denn er war ein zu guter Menschenkenner, um sich je falscher Werkzeuge zu bedienen, und außerdem von seinem Ränkespiel derart absorbiert, daß weder Leichtsinn noch Unwissenheit zu einem Fehlgriff führen konnte. Man konnte so gut wie sicher sagen, daß ihm niemand auf seine Schliche kommen und er von Erfolg zu Erfolg schreiten und schließlich hoch in Ehren und mehrere hunderttausend Rupien schwer sterben würde.
    Und auch über das Grab hinaus würde sein Erfolg erhalten bleiben. Nach buddhistischem Glauben werden diejenigen, die im Leben Böses getan haben, als Ratte, Frosch oder sonst ein niederes Tier wieder verkörpert. U Po Kyin war ein guter Buddhist und gedachte sich gegen diese Gefahr abzusichern. Er würde seine letzten Jahre auf gute Werke verwenden, die ihm einen Haufen Verdienste einbringen würden, der sein ganzes übriges Leben aufwog. Diese guten Werke würden wahrscheinlich in der Errichtung von Pagoden bestehen. Vier Pagoden, fünf, sechs, sieben - die Priester würden ihm sagen, wie viele, mit kunstvoller Steinmetzarbeit, vergoldeten Sonnenschirmen und Glöckchen, die im Winde klingelten, jedes Klingeln ein Gebet. Und er würde als Mensch wieder auf die Erde kommen, und zwar als Mann - denn eine Frau steht ungefähr auf derselben Stufe mit einer Ratte oder einem Frosch - oder bestenfalls mit einem würdigeren Tier, z. B. einem Elefanten.
    All diese Gedanken flogen U Po Kyin hurtig durch den Kopf, größtenteils in Bildern. Sein Denkapparat war schlau, aber ganz barbarisch und vermochte ausschließlich auf ein bestimmtes Ziel hin zu arbeiten; reine Meditation lag außerhalb se ines Horizontes. Jetzt hatte er den Punkt erreicht, auf den seine Gedanken abzielten. Er legte seine ziemlich kleinen, dreieckigen Hände auf die Armlehnen seines Sessels, wandte sich ein wenig um und rief leicht schnaufend:
    »Ba Taik! Heh, Ba Taik!«
    U Po Kyins Diener Ba Taik trat durch den Perlenvorhang auf die Veranda. Er war sehr klein, und sein pockennarbiges Gesicht hatte einen schüchternen, etwas hungrigen Ausdruck. U Po Kyin zahlte ihm keinen Lohn, denn er hatte wegen Diebstahls im Gefängnis gesessen, und ein Wort hätte genügt, ihn wieder dorthin zu bringen. Während Ba Taik sich seinem Herrn näherte, verbeugte er sich so tief, daß man den Eindruck hatte, er ginge rückwärts.
    »Heiligster Gott?« fragte er.
    »Wartet jemand auf mich, Ba Taik?«
    Ba Taik zählte die Wartenden an den Fingern auf: »Da ist der Dorfälteste aus Thitpingyi mit Geschenken, Euer Ehren, und zwei Bauern mit einer Klage wegen Überfall, die sie bei Euer Ehren vorbringen wollen, auch sie mit Geschenken. Ko Ba Sein, der Oberschreiber aus dem Bü ro des amtierenden Kommissars, wünscht Sie zu sehen, und außerdem der Polizist Ali Shah und ein Bandit, dessen Namen ich nicht weiß. Ich glaube, sie haben Streit wegen ein paar Goldreifen, die sie gestohlen haben. Und dann ist da noch ein junges Bauernmädc hen mit einem Säugling.«
    »Was will sie?« fragte U Po Kyin.
    »Sie sagt, das Kind wäre von Ihnen, Heiligster.« »Aha. Und wieviel hat der Dorfälteste mitgebracht?« Ba Taik glaubte, es seien nur zehn Rupien und ein Korb
    Mangopflaumen.
    »Sag dem Ältesten«, sagte U Po Kyin, »es müssen zwanzig Rupien sein, und wenn das Geld nicht bis morgen hier ist, werden er und sein Dorf es bereuen. Die anderen werde ich später empfangen. Jetzt soll Ko Ba Sein zu mir hereinkommen.«
    Ba Sein erschien sogleich. Er war ein aufrechter, schmalschultriger Mann, sehr groß für einen Burmanen, und hatte ein merkwürdig glattes Gesicht, das an Mokka- Creme denken ließ. Für U Po Kyin war er ein nützliches Werkzeug. Phantasielos und fleißig, war er ein ausgezeichneter Angestellter, und Mr. Macgr egor, der amtierende Kommissar, vertraute ihm die meisten seiner dienstlichen Geheimnisse an. U Po Kyin, den seine Gedanken in gute Laune versetzt hatten, begrüßte Ba Sein lachend und wies auf das Betelkästchen.
    »Nun, Ko Ba Sein, wie geht unsere Angelegenheit voran? Ich hoffe, daß sie, wie unser lieber Mr. Macgregor sagen würde«, - U Po Kyin ging plötzlich zum
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