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Orangentage

Orangentage

Titel: Orangentage
Autoren: Iva Procházková
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nicht.
    Â»Der ist klasse, oder?« Darek legte seine Hand erneut auf die strahlende Motorhaube. »Guck mal, das GPS-Gerät. Und das tolle Lenkrad. Komm, lass uns fragen, wem der Schlitten gehört!«
    Ema rührte sich nicht vom Fleck. Darek ließ sie in Ruhe und steuerte aufs Haus zu. Hier brauchte er auf die Schwester nicht mehr aufzupassen. Oberhalb des Bauernhofs wohnte nur noch Herr Havlik und abgesehen von Traktoren und Holzerntemaschinen kam nur selten jemand vorbeigefahren.
    Wahrscheinlich hat sich jemand verfahren, überlegte Darek, während er sich dem Haus näherte. Der Fahrer ist wohl hineingegangen, um sich nach dem richtigen Weg zu erkundigen, und gleich verschwindet er wieder.
    In dem Moment vernahm er Stimmen. Sie ertönten durch die offenen Wohnzimmerfenster, was sehr erstaunlich war. Denn das Wohnzimmer, ein großer Raum mit einem Bücherschrank und einem Kachelofen, hatte seit einem Dreivierteljahr niemand mehr betreten. Ganz genau seit September, nachdem der Krankenwagen die Mutter weggebracht hatte. Im Winter war das Zimmer nicht einmal beheizt worden, man hatte es der Kälte preisgegeben. Es versteckte sich hinter Eisblumen an den Fenstern und schlummerte. Ein unbewohntes Wohnzimmer. Nur kurz vor Weihnachten schlüpfte Darek hinein, um aus dem Bücherschrank das alte Wichtelmännchenbuch zu holen, das Ema durchblättern wollte. Er war überrascht gewesen, wie fremd das Zimmer wirkte. Außer Mutters Strickjacke, die über einer Stuhllehne hing, konnte man hier nichts Persönliches entdecken. Dabei hatten sie hier so viel Zeit verbracht. Karten gespielt, Nüsse geknackt, sie hatten sich am Ofen gewärmt, und während der Vater kleine Reparaturen und Holzarbeiten erledigte, hatte Mutter ihnen vorgelesen. Es waren bestimmt Aberhunderte von Abenden, doch in der Erinnerung flossen alle in einen einzigen zusammen – erfüllt mit dem orangefarbenen Licht der Stehlampe und durchdrungen vom Fichtenholzduft. Beides, das Licht und der Duft, waren mit der Vergangenheit des Zimmers eng verbunden und hatten mit seiner gegenwärtigen Leere nichts zu tun. Die aus dem Fenster ertönenden Stimmen verkündeten eine Veränderung.
    Â»Ohne eine Anfangsinvestition komme ich nicht hin, Anton«, hörte Darek den Vater sagen. »Ich muss ja Seil, Draht, Litze, Verankerungen, Pfosten und wer weiß was noch besorgen.«
    Â» Nieco  … einiges davon kriegst du von mir. Was fehlen sollte, kaufst du«, erwiderte eine andere Stimme. Auch wenn sie männlich war, klang sie sehr weich, manche Laute verwischten ineinander. Der polnische Akzent war unüberhörbar. »Alle Ausgaben verrechnen wir, dobrze  … klar?«
    Â»Wann legen wir los?«, fragte Vater.
    Â» Niebawem . In etwa zwei Wochen.«
    Â»Da muss ich mich aber schon verdammt beeilen.«
    Â»Dein Darek … Wie alt ist er?«
    Â»Im Winter ist er dreizehn geworden.«
    Â»Schon? Mensch, das ist ein großer Bursche! Der hilft dir ganz bestimmt.«
    Â»Wie viele sollen es sein?«
    Â»Vorläufig zehn, nie wie. cej. Aber im Sommer bringe ich noch mehr. Man hat mir insgesamt zwanzig versprochen. Und sobald sie weg sind, kommt eine neue Lieferung. Glaub mir, das ist eine echte Goldgrube, Ota!«
    Der Vater pfiff anerkennend. Worüber auch immer sie sprachen, die Zahlen schienen ihn beeindruckt zu haben. Darek blieb stehen. Dass sie ihn erwähnt hatten, weckte seine Neugier. War das nicht seltsam? Nicht nur, dass dieser Fremde namens Anton über Dareks Existenz Bescheid wusste und seinen Namen kannte, er rechnete obendrein auch noch mit seiner Hilfe. Wobei? Das wollte Darek sehr gern wissen, aber ins Wohnzimmer einzutreten und zu fragen, traute er sich nicht. Obwohl der Vater und Anton sich duzten, redeten sie immerhin über Arbeit und alles, was diese Arbeit betraf. Das war eine ernste, nahezu offizielle Angelegenheit, die auf keinen Fall gestört werden durfte.
    Â»Wie hoch ist der Kaufpreis?«, fragte der Vater.
    Â»Er bewegt sich zwischen …«
    Im Zimmer wurde es still, man konnte nur Papierbögen rascheln hören. Darek lehnte sich mit dem Rücken gegen die Hauswand und war im Begriff, weiterzulauschen, als er Marta erblickte. Sie stand vor der Küchentür, die Hände in die Hüften gestemmt, und machte ein wütendes Gesicht.
    Â»Ich wärme es nicht noch einmal auf!«, rief sie zur Begrüßung. »Man
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