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Orangentage

Orangentage

Titel: Orangentage
Autoren: Iva Procházková
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und schob seinen Teller beiseite.
    Vaters Blick fixierte ihn. Das Lächeln, das sich vorhin auf seinem Gesicht ausgebreitet hatte, verschwand. Seine Augen wurden streng.
    Â»Hör auf, zu brüllen!«, befahl er in einem Ton, der Darek sofort gehorchen ließ. Vater schaffte es immer, ihn zu zähmen. Für eine Meuterei fehlte ihm der Mut. Nicht, dass er Vaters robuste Statur und enorme Kraft fürchtete – nein, er hatte eher Respekt vor dem, was Vater versteckte. Vor dem, was nicht zu verstehen war. Er wusste, dass hinter der scheinbaren Ruhe ein Sturmgebiet lag. Vater erlaubte niemandem, bis dahin vorzudringen, aber gelegentliches Donnern und einzelne Blitze ließen ahnen, was sich da alles noch verbarg.
    Â»Es ist doch sehr nett von Marta, dass sie uns hilft, also kein Gemecker, klar?!«
    Â»Ich meckere nicht.«
    Â»Du sagst, dass sie nicht kochen kann. Das nennt man Gemecker.«
    Â»Auch wenn es stimmt?«
    Â»Es stimmt nicht! Mir schmeckt’s. Und Ema ebenso. Du würdest es auch mögen, wenn du nur wolltest«, sagte Vater mit einer Bestimmtheit, die Darek verärgerte. Woher wollte er wissen, was andere Menschen mochten und was nicht!
    Â»Wenn ich nur wollte? Glaubst du echt, dass man sich zwingen kann, etwas gerne zu essen?«, fragte er spöttisch.
    Â»Man kann alles, wenn man sich etwas anstrengt.«
    Darek musste sich ein Lachen verkneifen. Wieso säufst du dann?, lag ihm auf der Zunge zu sagen. Wie wäre es, wenn du dich auch etwas anstrengst und damit aufhörst?
    Stattdessen stopfte er sich lieber ein Stück Knödel in den Mund. Zanken konnte er mit Marta, ein Streit mit dem Vater kam nicht infrage. Eine Weile aßen sie schweigend, nur das Geklirr des Bestecks, begleitet von Emas Schnaufen, war zu hören. Sie keuchte, weil sie mit dem Fleisch auf ihrem Teller kämpfte. Vater beugte sich vor, um ihr beim Schneiden zu helfen, und bemerkte dabei ihre Hände. Sie waren blutig verkratzt.
    Â»Wie ist das passiert?«, fragte er.
    Ema betrachtete einen Moment lang ihre Haut. Man konnte ihr am Gesicht ablesen, wie intensiv sie sich bemühte, sich an den Ursprung der Kratzer zu erinnern. Endlich dämmerte es ihr.
    Â»Es ist von Schneewittchen«, antwortete sie.
    Â»Von welchem Schneewittchen?«
    Â»Von Schneewittchen Totalweiß.«
    Der Vater schaute Darek fragend an.
    Â»Sie hat eine Katze gefunden und wollte sie mit nach Hause nehmen«, erklärte er.
    Â»Eine Katze? Und wo ist sie geblieben?«
    Darek zuckte mit den Schultern. Es genügte doch, dass er auf seine Schwester aufpassen musste, für fremde Katzen war er hoffentlich nicht verantwortlich.
    Â»Abgehauen«, antwortete er kurz.
    Ema hörte auf zu essen. Erst jetzt, als es ausgesprochen war, begriff sie es voll und ganz. Sie schob ihre Unterlippe vor, runzelte unglücklich die Stirn. Als würde sie im nächsten Augenblick losschluchzen.
    Â»Wir haben doch zwei Katzen«, sagte der Vater mit sanfter Stimme zu ihr, in dem Ton, der nur Ema vorbehalten war. »Reichen dir die etwa nicht?«
    Â»Aber das Schneeeheewittcheeeheen waaahaar weiß!«, jammerte Ema.
    Â»Es gibt Millionen von weißen Katzen«, entgegnete Darek und überlegte, womit er seine Schwester ablenken könnte. Doch der Vater kam ihm zuvor.
    Â»Ich habe etwas für euch«, verkündete er.
    Â»Was denn?«, fragte Ema und hörte sofort auf, ein weinerliches Gesicht zu machen.
    Â»Eine Neuigkeit. Ein alter Freund von mir hat sie mir überbracht. Ich habe ihn ewig nicht gesehen und heute sind wir uns zufällig in Opawa über den Weg gelaufen.«
    Â»Anton?«, platzte es aus Darek heraus. Er war froh, dass sie endlich bei diesem Thema angelangt waren. Der Vater warf ihm einen überraschten Blick zu und Darek erklärte schnell: »Ich hab euch vorhin durchs Fenster gehört. Ihr habt drüber geredet, dass ich euch helfen soll. Wobei?«
    Â»Das ist ja gerade die Neuigkeit. Du erfährst sie gleich.« Der Vater stand auf. Er lächelte schon wieder. »Wenn ihr mit dem Essen fertig seid, macht ihr den Abwasch und wartet auf mich im Hinterhof. Wir gehen zusammen hinauf auf die Wiese.«
    Â»Warum? Was machen wir dort?«, wollte Ema wissen.
    Â»Lass dich überraschen.« Der Vater streichelte ihr übers Haar, nahm den gestutzten Schopf zur Kenntnis, sah ihn eine Weile nachdenklich an, sagte aber nichts, zog nur seine Augenbrauen in die
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