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Optimum 1

Optimum 1

Titel: Optimum 1
Autoren: V Bicker
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kreischte sie einfach vor sich hin. Ihr Gesicht hatte sich zu einer Grimasse aus Wut verzogen. Rote Spritzer überzogen ihre blütenweiße Jeans. Scheiße, Blut!
    Aber urplötzlich entdeckte Rica noch etwas: Ein Tablett lag umgekippt auf dem Fliesenboden, umgeben von Essensresten, Scherben und einer dunkelroten Flüssigkeit. Traubensaft. Sie spürte ein hysterisches Kichern in sich aufsteigen und schluckte es hinunter. Niemand war verletzt worden. Noch nicht.
    Rica sprang vorwärts.
    * * *
    Eliza war wie erstarrt. Sie wollte nicht hinsehen, aber gleichzeitig gelang es ihr nicht, den Blick abzuwenden. Janina. Kais Janina … Was tut sie denn da nur? Noch nie hatte sie Janina so wütend gesehen. Um genau zu sein, auch sonst niemanden. Janinas Augen funkelten, und es fehlte gerade noch, dass sie Schaum vorm Mund hatte wie ein tollwütiger Hund.
    Ich müsste etwas tun, aber ich kann nicht. Ich kann nicht. Ich bin genauso unfähig wie alle anderen hier.
    Rica sprang wie ein Kobold um das viel größere Mädchen herum und versuchte verzweifelt, es zu packen zu bekommen. Dabei schrie sie immer wieder »Aufhören!«. Doch Janina reagierte überhaupt nicht. Auch nicht, als schließlich ein zweiter Oberstufler dazutrat und probierte, sie von dem kleinen Jungen wegzuziehen. Das Kind hing inzwischen schlaff in Janinas Armen, und seine Tritte wurden immer schwächer. Der Anblick löste irgendetwas in Elizas Innerem aus. Wärme durchflutete sie, und einen Moment lang fühlte sie sich richtig mutig.
    »Janina!« Noch bevor sie überlegen konnte, noch bevor sie irgendeine bewusste Entscheidung treffen konnte, war Eliza an der Seite der Kämpfenden. Rica hatte inzwischen ihren wilden Tanz aufgegeben und stand lauernd da, wie eine Katze, die bereit war zu springen, wenn die Beute in ihre Reichweite kam.
    »Janina! Aufhören!« Elizas Stimme ging in dem allgemeinen Tumult unter. Sie war noch nie jemand gewesen, der besonders gut schreien konnte. »Janina!« Sie begann, sich langsam dem kämpfenden Pärchen zu nähern, doch das war gar nicht so einfach, denn Janina drehte sich unaufhörlich von einer Seite zur anderen, gewillt, den Unterstufler zwischen sich und die übrigen Schüler zu halten, und trat aus, wenn man ihr zu nahe kam.
    »Halt sie fest!«, schrie Rica dem Oberstufenschüler zu. »Halt sie doch einfach fest!« Doch auch er konnte nichts ausrichten. Janina schien Riesenkräfte entwickelt zu haben und schüttelte seinen Griff ab, wie ein Pferd eine lästige Fliege wegzuckt. Immer noch schrie sie so laut, dass Eliza die Ohren wehtaten.
    Also gut, also gut. Ich muss etwas tun. Ich muss, auch wenn es mir nicht gefällt, aber …
    Nein, jetzt war keine Zeit, lange zu überlegen. Eliza schloss die Augen und atmete zwei, drei Mal tief ein und aus. Ihre Hände zitterten, ob vor Aufregung oder vor Angst, wusste sie nicht. Sie konzentrierte sich, fühlte nach der richtigen Stimmung. Es brachte nichts, wenn sie Angst hatte. Angst würde Janina nur noch mehr verunsichern. Ruhe, das war es, was sie ihr vermitteln musste. Ruhe, Ausgeglichenheit, Vernunft.
    Himmel, ich habe doch so etwas noch nie gemacht. Zumindest nicht bewusst . Eine kleine, leise, verzweifelte Stimme in ihren Gedanken. Doch eine andere, kräftigere antwortete sofort: Aber du musst. Jetzt musst du. Sie biss sich auf die Unterlippe und stellte sich die Stimmung vor. Ruhe. Ein Wald voller Sommerduft nach trockenem Laub und feuchtem Moos. Fliegen, die in goldenen Sonnenstrahlen tanzten. Vögel in den Ästen, die unsichtbar durch das Laubwerk huschten und ab und zu einen hellen Ruf ausstießen. Das Summen der Insekten, ein träumerisch dahinwanderndes Reh in einiger Entfernung. Ein leichter Lufthauch, der die Farne streichelte, und immer wieder der Geruch, der Geruch nach Sicherheit und Wärme und Sommer. Eine Erinnerung an Elizas Kindheit, die ihr immer wieder Ruhe und Frieden vermittelte. Hoffentlich würde es auch bei Janina wirken.
    Noch ein tiefer Atemzug, dann öffnete Eliza die Augen und machte rasch zwei Schritte vorwärts, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Sie hatte Glück. Oder vielleicht hatte Janina sie nicht als ernsthafte Gegnerin wahrgenommen, jedenfalls reagierte sie erst viel zu spät auf Elizas Bewegung. Sie versuchte noch, den Schüler zwischen sie beide zu bringen, war aber nicht schnell genug. Schon hatte Eliza die Hand nach Janinas Arm ausgestreckt und ihn berührt. Nur ein leichtes Streifen mit den Fingerspitzen über den weichen Stoff ihres
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