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Opium fürs Volk: Natürliche Drogen in unserem Essen (German Edition)

Opium fürs Volk: Natürliche Drogen in unserem Essen (German Edition)

Titel: Opium fürs Volk: Natürliche Drogen in unserem Essen (German Edition)
Autoren: Andrea Fock , Jutta Muth , Monika Niehaus , Udo Pollmer
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Halluzinationen kommen, oder die Wirkung ist beruhigend und einschläfernd. Andere Substanzen sorgen dafür, dass sich die Aufmerksamkeit erhöht. 6
    Derartiger «Stoff» wirkt aber nicht nur bei Säugetieren berauschend bis tödlich. Auch gefräßige Heuschrecken ereilt ein trauriges Schicksal, wenn sie ein Feld voll Schlafmohn anknabbern. Die Tierchen werden steifbeinig, stürzen ab, krabbeln wackelig, aber zielstrebig zur nächsten Pflanze. Dort vertilgen sie noch mehr morphinhaltigen Mohnsaft, bis der Tod sie ereilt.
    Original und Fälschung: Amine
    Wer die neuronalen Botenstoffe seiner Feinde fälschen will, um diese damit zu schwächen, nutzt dafür am besten dieselben Ausgangsmaterialien. Wie das funktioniert, lässt sich gut am Neurotransmitter Serotonin erläutern: Der Körper erzeugt Serotonin aus einem normalen Eiweißbestandteil, der Aminosäure Tryptophan. Wie der Name schon sagt, tragen Aminosäuren eine Aminogruppe (-NH 2 ) und eine Säuregruppe (-COOH) im Molekül. Zuerst wird dem Tryptophan die Säuregruppe abgeknipst. Ohne die Säuregruppe darf es sich natürlich nicht mehr Aminosäure nennen. Aber da die Aminogruppe erhalten geblieben ist, kann sich das verstümmelte Molekül jetzt als Amin bezeichnen. Das Tryptophan hat sich so in Tryptamin verwandelt. Wird dieses Amin noch an einer bestimmten Stelle mit einer OH-Gruppe verschönert, entsteht 5-Hydroxy-Tryptamin, wie das Serotonin von Chemikern genannt wird.
    Drogenliefernde Lebewesen verwandeln das Tryptamin nicht in den Botenstoff Serotonin, sondern in diverse chemisch damit eng verwandte, aber halluzinogen wirkende Amine. Die Aga-Kröte erzeugt aus Tryptamin Bufotenin, südamerikanische Mimosen und Rötegewächse verwandeln es in Dimethyltryptamin (DMT), und die «mexikanischen Zauberpilze» stellen daraus Psilocybin her (siehe S. 114).
    Diese Amine – ob Neurotransmitter oder Halluzinogen – haben eine Gemeinsamkeit: In ihnen ist die wirksame Struktur erhalten geblieben, die sich im Skelett ihres Ausgangsmoleküls Tryptophan verbirgt. Daher können all diese Amine an die entsprechenden Serotonin-Rezeptoren im Gehirn andocken. Natürlich gibt es noch andere Rezeptortypen im Nervensystem, zum Beispiel die adrenergen Rezeptoren. Die dazu passenden Neurotransmitter Adrenalin und Noradrenalin werden vom Körper aus einem anderen Amin, dem Dopamin, erzeugt. Das Dopamin selbst ist ebenfalls ein Neurotransmitter, nach ihm sind die Dopamin-Rezeptoren benannt.

    Abb. 3: Strukturelle Ähnlichkeiten zwischen Morphin und dem Exorphin β-Casomorphin 5 aus Milch
    Pustekuchen
    Im Gegensatz zu den Zauberpilzen hat sich der Gerstenkeimling statt auf Tryptamin auf ein anderes Amin eingeschossen, das Tyramin. Daraus stellt er das psychogene, aber relativ instabile Hordenin her. Ein wenig davon gelangt aus dem Gerstenmalz dann später trotzdem ins Bier. Hordenin ähnelt der Struktur des Botenstoffs Dopamin und sollte darum an Dopamin-Rezeptoren andocken.
    Man könnte meinen, dass der Peyotl-Kaktus (Lophophora williamsii) sein halluzinogenes Amin Meskalin deswegen aus Dopamin bastelt, damit es dem Noradrenalin ähnelt und an den Noradrenalin-Rezeptoren Unfug treiben kann. Hier zeigt sich aber, dass auch die schönsten Theorien Mängel haben. Das Meskalin bindet nämlich an Serotonin-Rezeptoren, obgleich seine Passform alles andere als ideal ist. Pharmakologen gehen davon aus, dass die Seitenkette des Meskalinmoleküls an den Rezeptor passt und darum für die psychogene Wirkung des Stoffs verantwortlich ist.

    Abb. 4: Entstehung biogener Amphetamine wie MMDA und TMA aus Aromastoffen
    Immerhin lässt sich aus dieser Tatsache schließen, dass auch das eine oder andere eher unverdächtig aussehende Molekül Wirkungen auf die Psyche entfaltet. Das müssen beileibe nicht immer Amine sein. In der Muskatnuss (Myristica fragrans) sind Stoffe enthalten, die erst von Enzymen der Leber in psychogene Amphetamine umgewandelt werden. Es sind das nach Muskat duftende Myristicin und das nah verwandte Elemicin. Aus dem Myristicin entsteht MMDA, aus dem Elemicin TMA (siehe S. 14). So verwandeln sich auf den ersten Blick harmlose Stoffe in Drogen, deren chemische Strukturen der des Meskalins verblüffend ähneln (siehe Abb. 4).
    Hot Stuff: Alkaloide
    Mit halluzinogenen Aminen und Amphetaminen ist das Psycho-Arsenal von Pflanzen, Schwammerln und Lurchen noch lange nicht erschöpft. Aus Aminen lassen sich noch wesentlich kompliziertere Moleküle aufbauen, die Alkaloide. Der Aufwand
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