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Opfer fliegen 1. Klasse

Opfer fliegen 1. Klasse

Titel: Opfer fliegen 1. Klasse
Autoren: Stefan Wolf
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Tim schlug sich auf
den Schenkel. „Dem Mann zeigt das Schicksal aber wirklich die Kante. Zwei
Abstürze. Zweimal Riesenglück. Entweder er hat jetzt seine Lebensversicherung
erhöht, oder er fliegt nicht mehr. Freunde, mit dem müssen wir reden. Was der
uns zu sagen hat, ist ein Thema. Jemand dagegen?“
    „Wollen wir in der
Befindlichkeit des Doppelopfers rumstochern“, fragte Karl, „oder stecken wir
unsere Spürnasen in den ungeklärten Anschlag von Malakaputtschino?“
    „Beides, natürlich“, erwiderte
der TKKG-Häuptling.
    „Aha!“ nickte Gaby. „Aber den
Anschlag werden wir bestimmt nicht aufklären. Denn klüger als die polizeilichen
Ermittler sind wir nicht. Außerdem ist das Ereignis fünf Jahre alt.“
    „Kein Alter für ein Ereignis“,
meinte Tim wegwerfend. „Wenn eine Eintagsfliege ihren fünfjährigen Geburtstag
feiert, dann kann man staunen. Aber nur dann. Jetzt besorgen wir uns Eberts
Adresse, und dann schauen wir dort mal vorbei.“
    „Heute noch?“ fragte Klößchen
mit ermattender Stimme.
    „Wann den sonst?“
    Tim schnellte so schwungvoll
auf die Füße, daß ringsum die Gräser wackelten.
    Gaby, die mit dem nächsten Zopf
fertig war, machte seufzend einen Knoten.

6. Kein Ausweg am Tage X
     
    Hätte man ihn gefragt, wäre
seine Antwort gewesen, daß an ihm charakterlich nichts auszusetzen sei. Klaus
Ebert, das zweimalige und dennoch vom Schlimmsten verschonte Absturzopfer, war
mit sich zufrieden. Er hielt sich für clever und klug und meinte außerdem, das
Leben schulde ihm was — schulde ihm mehr, als man mit Einsatz und einer
36-Stunden-Woche erreichen könne.
    Klaus Ebert hatte seine
leitende Position bei Küchen-Schröder, diesem industriellen Großbetrieb,
mißbraucht, hatte viel Geld veruntreut und wußte: Bald würde man seine Veruntreuung
aufdecken.
    Natürlich war er nicht bereit
zu den entsprechenden Konsequenzen, zu einer langjährigen Haftstrafe. Deshalb
besorgte er gefälschte Reisepässe für sich und seine Frau Bettina.
    Und beide — denn die von
Kopfschmerzen geplagte Bettina war auch kein Vorbild auf dem Pfade der Tugend —
hatten sich einen schlauen Plan ausgedacht.
    Am Tage X — wenn sich im Tresor
der Firma viel Bargeld befand — wollte/sollte Klaus Ebert abermals zugreifen.
    Und dann ab durch die Mitte!
Flucht in ein fernes Land, wo sich gut und unerkannt leben ließ. Wie das alle
großen Betrüger, Veruntreuer und Bankrotteure machen.
    Beide waren sich darüber klar:
Ein Freitag mußte es sein. Denn sie brauchten Vorsprung. Dafür war ein langes
Wochenende gut. Der Neubeginn für beide sollte in Südamerika stattfinden, und
Bettina hatte schon fleißig Spanisch gelernt. Außerdem wußte sie, wie man
leckere Gerichte der Landesküche bereitet, wie Chili con Carne, Enchilada,
Jambalaya, Paella, Taco und Tortilla.
    Heute war Tag X.
    Jetzt war später Nachmittag.
    Klaus Ebert zitterten die
Hände, als er die Firma verließ. Er war einer der Letzten. Der Pförtner im
Glashäuschen nickte ehrerbietig.
    Wie immer trug Ebert seine
bauchige Aktentasche. Außerdem hatte er heute eine große Sporttasche dabei.
Beide waren alt und etwas abgeschabt. Die Sporttasche war prall gefüllt und
enthielt 1,6 Millionen DM.
    Ebert war 49, sah aus wie 59,
hinkte links, was auf einen schlecht verheilten Bruch des Mittelfußknochens zurückzuführen
war, und trug das graublonde Haar kurzgeschnitten und struppig. Er war
Brillenträger, besaß insgesamt vier. Mit einer konnte er lesen — bis zu einer
Entfernung von 40 Zentimetern. Die zweite benötigte er zum Beglotzen der
TV-Mattscheibe. Die dritte war fürs Autofahren, die vierte für echte Fernsicht
— für den Blick zu anderen Ufern und fernen Horizonten, wie er zu sagen
pflegte.
    Ebert hatte eine
Schreibtisch-Sitzer/Viel-Esser/Bewegungsmangel-Figur. Verfügte also über etwas
Bauch, Rippenspeck, Muskelschwund, Rundrücken und Kurzatmigkeit. In Südamerika
sollte selbstverständlich alles anders werden. Dort wollte er zum
sportgestählten Jüngling mutieren (sich verändern).
    In der Innenstadt flaute der
Verkehr etwas ab. Ebert fuhr zügig. Er und Bettina wohnten in einer — eher
noblen — Siedlung am Stadtrand. Hübsche Häuschen, hübsche Gärten, gepflegte
Hecken, nette Nachbarn, einige Hunde, auch streunende Katzen und wenig Verkehr.
    Die stadtauswärts führende
Straße verbindet unter anderem mit der 15 Kilometer entfernten
Landesstrafanstalt Sassvest. Aber für Ebert war das im Moment ohne Bedeutung.
    Er hielt vor
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