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Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
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nun saß Onkel Tom, Mr. Shelbys erste Kraft, und als den Helden unserer Geschichte müssen wir ihn dem Leser etwas näher beschreiben. Er war ein großer, breitschultriger, kräftig gebauter Mann, von glänzender tiefschwarzer Farbe, mit einem Gesicht, auf dessen typisch afrikanischen Zügen sich ein Ausdruck von ernster und verständiger Ruhe spiegelte, der von Wohlwollen und Freundlichkeit erhellt wurde. Seine ganze Erscheinung drückte neben Würde und Selbstbewußtsein eine treuherzige und bescheidene Einfachheit aus.
    In diesem Augenblick war er völlig in eine Schreibübung vertieft. Langsam und umständlich malte er auf eine Schiefertafel einige Buchstaben, wobei ihn der junge Herr Georg beaufsichtigte, ein aufgeweckter frischer Junge von dreizehn Jahren, der sich der Würde eines Lehrmeisters durchaus bewußt zu sein schien.
    »Nicht nach der falschen Seite, nicht doch«, rief er eifrig, als Onkel Tom die Schleife eines g nach rechts abbrechen wollte, »das wird ja ein q, sieh doch!«
    »Ihr habt recht«, sagte Onkel Tom, und sah voll Bewunderung und Respekt, wie sein junger Lehrer wahllos beliebig viele g und q auf die Tafel zauberte, um den Stift aufs neue in seine Hand zu nehmen und von vorn zu beginnen.
    »Wie leicht das alles den Weißen fällt«, sagte Tante Chloe, einen Augenblick innehaltend – sie wischte gerade eine Bratpfanne mit einer Speckschwarte aus – und den jungen Georg bewundernd anblickend, »wie fein er schreiben und lesen kann, und dann auch noch jeden Abend herüberzukommen, um seine Lektion vorzulesen, das ist allerhand.«
    »Ich bin hungrig, Tante Chloe, das ist auch allerhand«, sagte Georg. »Ist dein Kuchen in der Form nicht endlich fertig?«
    »Beinahe, junger Herr, beinahe«, sagte Tante Chloe, indem sie den Deckel prüfend in die Höhe hob, »wird schön braun, goldbraune Farbe. Da soll mir einer kommen! Neulich ließ die Gnädige Sally einmal backen, damit sie es lerne, wie sie sagte. ›Ach, gnädige Frau‹, sagte ich, ›das kann ich nicht mit ansehen, da wird mir schlecht, wenn so die guten Zutaten verschleudert werden, ein Kuchen, der nur an einer Seite aufgeht und keine richtige Form annimmt wie ein alter Schuh, der kann mir gestohlen bleiben.‹«
    Mit diesem abschließenden Urteil ihrer Verachtung für Sallys Anfängerkünste entfernte Tante Chloe endgültig den Deckel von der Kuchenform und brachte einen herrlich gebackenen Kuchen zum Vorschein, dessen sich kein Konditor in der Stadt hätte zu schämen brauchen. Er war als Höhepunkt der Mahlzeit gedacht, so daß Tante Chloe sich nun dem anderen Teil des Abends widmen mußte.
    »Weg mit euch, Mose und Peter, geht mir aus dem Weg, ihr Nigger, du auch, Polly, mein Honigkuchen, wart noch ein bißchen, Mammi gibt dir gleich etwas. Und jetzt, junger Herr, nehmt eben die Bücher fort und setzt Euch hin mit meinem Alten, ich nehme jetzt die Würstchen heraus, und dann bekommen Sie die ersten Puffer auf den Teller.«
    »Ich sollte eigentlich nach Hause gehen zum Abendessen«, sagte Georg, »aber ich wußte schon, wo ich etwas Gutes bekommen würde, Tante Chloe.«
    »Recht hast du, recht hast du, mein Goldjunge«, sagte Tante Chloe und häufte ihm die knusprigen Puffer auf den Teller. »Du hast gewußt, deine alte Tante hebt dir etwas Leckeres auf, du kennst dich aus«, und damit schubste sie ihn strahlend in die Seite, lachte herzlich und wandte sich wieder voll Eifer ihrer Bratpfanne zu.
    »Jetzt her mit dem Kuchen«, rief Georg, nachdem der Aufruhr um die Puffer sich etwas gelegt hatte, und dabei zückte er sein großes Messer.
    »Da sei Gott vor, junger Herr«, sprach Tante Chloe im Brustton der Überzeugung, »daß Ihr mit dem schweren Messer auf meinen Kuchen losgeht, ihn plattdrückt, daß alles Lockere dahin ist – hier, das alte dünne Messer, das schärfe ich mir eigens nur dafür. Da, seht her, das schneidet leicht – nun laßt es Euch schmecken, Besseres gibt es anderswo nicht.«
    »Tom Lincon behauptet« – sagte Georg mit vollen Backen kauend –, »daß ihre Jinny besser kocht als du.«
    »Was kümmern uns die Lincons!« sagte Tante Chloe verächtlich, »ich meine, verglichen mit unserer Herrschaft. Sie sind gewiß ganz respektabel, wenn man keine großen Ansprüche stellt, aber von einem vornehmen Stil haben sie keinen Schimmer. Stellt doch nur Mr. Lincon einmal neben Mr. Shelby, Grundgütiger! Und erst Mrs. Lincon, kann sie so hoheitsvoll ins Zimmer rauschen wie unsere Gnädige? Keine Spur! Kommt mir nicht
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